In unserer Serie treffen wir Menschen auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Helga Struwe aus Trittau, die seit 16 Jahren die Welt per Drahtesel erkundet.

Trittau. "Fahrradtouren vermitteln die intensivsten Reiseeindrücke", sagt Helga Struwe. Auf dem Rad fühlt sie sich frei, ist hautnah in der Landschaft, muss gegen den Wind strampeln. Eine schönere Art, Land und Leute kennenzulernen, kann sich die Trittauerin (65) nicht mehr vorstellen, seit sie mit ihrer damals 14 Jahre alten Tochter durch Schweden geradelt ist.

16 Jahre ist das her - 16 Jahre, in denen sie sich immer neuen Herausforderungen stellte. Erst Touren durch ihre schleswig-holsteinische Heimat, zunächst in der Gruppe, dann auch alleine. Das war noch wieder eine neue Erfahrung. "Von wegen einsam. Ich bin überall schnell mit den Menschen in Kontakt gekommen. Radfahrer sind offen und gesellig", sagt sie. Es folgten Radreisen durch Europa und schließlich Asien - China, Burma, Vietnam. "Je öfter man unterwegs ist, desto weniger Gepäck braucht man. Jedes Kilo zuviel rächt sich."

Vor zwei Jahren dann das bisher größte Abenteuer. Die Tour von Athen nach Peking. 14 000 Kilometer in sechs Monaten, über Hochplateaus auf 2500 Metern. "Ich war so fasziniert von der Tour, dass ich nie daran gezweifelt habe, dass ich das schaffe", sagt sie. Nur einmal hat sie eine Auszeit genommen, hat für einen Tag den Sattel gegen einen Sitz im Bus getauscht, sich ein Buch geschnappt, die Landschaft an sich vorbeiziehen lassen.

Das große Fernweh ist seitdem erst einmal gestillt. Nicht aber das Bedürfnis nach neuen Herausforderungen, nach der Erweiterung des eigenen Blickwinkels. "Zuviel Routine ermüdet mich", sagt Helga Struwe, die gebürtige Elmshornerin, die viele Jahre mit ihrem Ehemann und den zwei Kinder in Afrika und im Irak gelebt hat. Ihre Wohnung am Trittauer Mühlenteich, geschmackvoll eingerichtet mit zahlreichen Erinnerungsstücken, erzählt von dieser Zeit. Die Truhe aus Sambia etwa oder die orientalisch verzierten Kissen.

Ein Berufsleben hat sie hinter sich, zur Ruhe setzen aber will die ehemalige Exportkauffrau sich nicht. Im Gegenteil: Sie startet noch einmal richtig durch, bietet jetzt selber Fahrradtouren an. Dass sie das kann, hat sie im vorigen Frühjahr bewiesen, als sie für ein süddeutsches Reiseunternehmen eine Rundfahrt durch ihre Heimat organisiert hat. Mit zehn Bayern ist sie quer durch Schleswig-Holstein geradelt, durch plattes Land und hügelige Landschaften, bei Sturm, Regen und strahlendem Sonnenschein.

Der Erfolg macht ihr Mut und den nächsten Schritt leicht: Sie hat ihr eigenes Unternehmen gegründet, nennt es "Opn Drahtesel", wohl wissend, dass es eigentlich "Drohtesel" heißen müsste, doch mit dem "a" gefälliger klingt und leichter zu sprechen ist. Sie beginnt mit Tagestouren durch Stormarn, nicht selten ist ein Biobauernhof das Ziel. "Meine Liebe zur Natur, mein Interesse an ökologischem Landbau und an einer gesunden Lebensweise fährt immer mit."

Für 2010 hat sie sieben Radreisen mit vier bis neun Übernachtungen ausgearbeitet - vom "Platten Land Nordfriesland" bis zum "Land der Angeliter" - und "Vom Großensee zum Schalsee". Den Herbst über hat sie alle Touren abgefahren, Wege erkundet, die auf keiner Karte vermerkt sind, dafür aber immer die Schönsten sind und mit besonderen Geschichten verknüpft.

Die Tagesetappen sind nie länger als 50 bis 60 Kilometer. "Wir wollen die Landschaft und das Radfahren genießen", sagt Helga Struwe, die auf die robusteren Herrenräder schwört. Zwei Stück hat sie. Das eine ist das Rad, mit dem sie von Athen nach Peking geradelt ist.

www.opndrahtesel.de