Kommentar: Unruhen in Frankreich

Paris kommt nicht zur Ruhe. Viel schlimmer noch: Die Krawalle jugendlicher Einwanderer drohen wie ein Flächenbrand auch auf andere Städte Frankreichs überzugreifen. Hilflos sehen nun die französischen Politiker auf die außer Kontrolle geratene Situation und sollten erkennen, daß sie vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Politik stehen.

Jahrelange soziale Ausgrenzung hat sich in der zweiten und dritten Generation der Einwanderer zu einem Frust aufgestaut, der sich nun gewalttätig die Bahn bricht. Die ausländischen Wurzeln werden als Fremdsein, als Anderssein und verantwortlich für die oft miserable Lebenssituation empfunden. Ein fataler Sog.

Um es vorwegzunehmen: Die Lage wird sich wieder beruhigen, aber der Unmut wird, was viel schlimmer ist, ohne entscheidende gesellschaftliche Veränderungen im Untergrund weitergären. Wer bisher - wie auch oft in Deutschland - gedacht hat, allein mit einem französischen Paß von Geburt an und dem Beherrschen der Sprache seien die Fremden integriert, hat sich furchtbar getäuscht. Nun wenden sich Franzosen gegen Frankreich.

Eine schnelle - viel zu bequeme - Abschiebung ist nicht möglich. Alle sind vielmehr gezwungen, sich grundlegend mit einer geteilten Gesellschaft und Möglichkeiten eines friedlichen Zusammenlebens auseinanderzusetzen. Doch das gilt nicht allein für Frankreich. Ähnliche Unruhen in Großbritannien und den Niederlanden zeigen, daß von den verschiedenen europäischen Einwanderungskonzepten alle brüchig sein können. Wenn Arbeit knapp wird, beginnt ein Verteilungskampf, bei dem sich zuerst die Einwanderer ausgeschlossen fühlen. Jedes europäische Land sollte sich überlegen, wie stabil das eigene gesellschaftliche Gefüge ist.