Jugendkrawalle: Frankreichs Innenminister spricht von “Abschaum“. Schwere Vorwürfe gegen Nicolas Sarkozy: Hat der Rechtsaußen die Unruhen, die jetzt auch auf andere Städte übergreifen, provoziert?

Paris. Worte so beißend wie ein Pitbull sind das Markenzeichen des französischen Innenministers Nicolas Sarkozy. Für "Abschaum" und "Ganoven" hält der Rechtsausleger der konservativen Pariser Regierung randalierende Jugendliche in den Vorstädten. Doch die markigen Äußerungen des 50 Jahre alten Kandidaten für das Amt des Präsidenten heizen nur an, was sich seit einer Woche Nacht für Nacht rund um Paris abspielt.

Frustrierte jugendliche Einwanderer setzen die Kraftprobe mit ihrem Feindbild fort: "Das ist nur der Anfang, wir machen weiter, bis Sarkozy geht", so gibt einer als Parole aus. Die von allen Seiten kritisierte Regierung steht jetzt immer mehr unter Druck.

In der Nacht zu Freitag gingen mit 500 Autos in den Vororten von Paris so viele Fahrzeuge wie nie zuvor in Flammen auf. In Trappes bei Paris wurden 27 Busse durch Feuer zerstört. Auch fünf Lagerhallen gingen in Flammen auf. Erneut wurden wieder öffentliche Gebäude wie Rathäuser, Schulen und Polizeiwachen Ziel von Attacken. Ein Polizeiauto wurde mit Schrotkugeln beschossen.

Zudem wurde bekannt, daß in der Nacht zuvor eine Behinderte bei einem Angriff mit Molotow-Cocktails auf einen Bus schwere Verbrennungen erlitt. Jugendliche hätten die 56jährige mit Benzin begossen. Erstmals griffen die Krawalle auch auf andere Städte wie Marseilles im Süden oder Dijon im Burgund über.

"Wir sind dafür da, dieses Krebsgeschwür auszumerzen, wir werden uns dieses Gesindels entledigen."

Sarkozys seit längerem gepflegte Philosophie, unruhige Vorstädte mit dem "Kärcher" (Hochdruckreiniger) säubern zu wollen, zielt auf die wichtige Wählerschaft am rechten Rand. "Was die ausländischen Horden hier angreifen, ist Frankreich" - das ist wiederum der Originalton des Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen zu den Krawallen. Und beide wissen recht genau, was der "Normalfranzose" von den "Krawallmachern aus Nordafrika" so hält.

Und so jagen sich Krisensitzungen und beschwörende Rufe nach Ruhe und Ordnung. Erst hatte Sarkozy Öl in das Feuer gegossen, um rechte Wählerstimmen zu sichern. Nun versucht die Regierung unter Premierminister Dominique de Villepin händeringend, die Flammen zu löschen. Bislang hat sie noch kein Rezept gefunden. Im Gegenteil - was bei Paris begann, droht zum Flächenbrand zu werden.

Sarkozys kriegerische Haltung ruft mittlerweile sogar offene Kritik der ihm unterstellten Polizei auf den Plan: "Wir sind rund um die Uhr mit der Lage in den Vorstädten konfrontiert, solche Äußerungen wie die von der ,Säuberung' sind jetzt einfach unangebracht", sagt Francis Masanet, Vize-Generalsekretär der Polizeigewerkschaft. "Man kann doch nicht einfach hingehen, die jungen Leute zur Weißglut bringen und sich dann schlafen legen." Ein "Dialog" sei nötig.

Vieles spricht dafür, daß Sarkozys Äußerungen alles andere als unbedacht waren. Innenminister mit Unterbrechung seit 2002 und Gegenspieler von Präsident Jacques Chirac, plagt den 50jährigen - wie die gesamte Politikerklasse in Paris - das "Trauma vom 21. April 2002". Damals war Jean-Marie Le Pen sensationell in die Stichwahl für das Präsidentenamt eingezogen. Bei der nächsten Schlacht um den Elyseee-Palast im Mai 2007 steht mit wohl 16 Kandidaten eine noch stärkere Bewerber-Inflation an, was Erfolge extremer Kräfte begünstigen könnte.

"Die Unsicherheit im Land ist wie Unkraut - ist Sarkozy nicht nur mit einem Unkrautvertilgungsmittel dagegen vorgegangen, ohne sie an der Wurzel auszureißen?", fragt das Magazin "L'Express". Mit jeder Gewaltnacht sinkt sein Stern weiter. Und einer der muslimischen Randalierer sagt, nach dem Fastenmonat Ramadan werde es "jetzt Krieg geben".