Bereits morgen erscheint das Buch „Marco W. – meine 247 Tage im türkischen Knast“. Es birgt Zündstoff. Dass der Schicksalsbericht dem Missbrauchsprozess in Antalya eine für Marco gefährliche Wendung geben könnte, schließen Türkei-Experten zwar aus. Gewiss ist die Veröffentlichung aber mit Risiken verbunden.

Uelzen. So hat der Anwalt des mutmaßlichen Opfers Charlotte prompt angekündigt, den Bericht des 18-Jährigen auf belastende Details hin prüfen zu wollen. In jedem Fall droht das schon seit fast anderthalb Jahren laufende Verfahren, sich weiter in die Länge zu ziehen. Denn auch das Schwurgericht in Antalya wird zur Kenntnis nehmen, welches Licht Marcos schonungslose Geschichten aus der Untersuchungshaft auf die türkische Justiz werfen.

"Ich war selbst erschrocken, als ich las, was da wirklich vorgegangen ist in dieser Gefängniszelle und unter was für Gefahren Marco sich befunden hat", sagt Marcos Verleger Carlos Schumacher, ein Arzt, der den jungen Mann als "schwer traumatisiert" beschreibt. Marco wolle das Erlebte durch die Niederschrift psychisch verarbeiten.

Dem Uelzener wird zur Last gelegt, als 17-Jähriger im Osterurlaub 2007 die damals 13-jährige Britin Charlotte nach einem gemeinsamen Discobesuch sexuell missbraucht zu haben. Marco hat die Vorwürfe stets bestritten und von einvernehmlichen Zärtlichkeiten gesprochen. "Sie schob ihre Hand erst unter meinen Pulli, ließ ihre Finger dann langsam nach unten wandern", schreibt Marco in dem Buch. "Für mich war das überraschend, ich fühlte mich beinahe überrumpelt."

Das Urteil in dem Prozess hätte schon bei der Verhandlung am Mittwoch in Antalya gesprochen werden können schließlich lag das seit einem Jahr erwartete Gutachten vor, das den Vorwurf der Vergewaltigung der Verteidigung zufolge entkräftet. Doch die Richter vertagten sich auf den 10. April 2009. Das letzte Kapitel des knapp 200 Seiten starken Buches für 14,95 Euro heißt deshalb "…und noch kein Happy End".

Das gilt auch für Marcos Beziehung zu einem seiner zwei deutschen Anwälte: Matthias Waldraff hat sein Mandat wegen des Veröffentlichungszeitpunktes des Buches zurückgegeben. "Wir müssen davon ausgehen, dass der Nebenkläger jedes Wort aus diesem Buch übersetzen lässt und versuchen wird, Kapital daraus zu schlagen", sagte Walldraff. Nach Einschätzung des Anwaltes, der Marco anderthalb Jahre verteidigt hat, ist die Veröffentlichung ein unnötiges Risiko. Michael Nagel, der zweite Verteidiger, bleibt dagegen auf Wunsch des Jungen Marcos Anwalt.

Das Buch hat nach Ansicht eines Türkei-Experten keine Auswirkung auf das Strafverfahren in Antalya. "Die Brisanz des Buches sollte nicht überschätzt werden", meint dagegen der Politologe Dirk Halm vom Zentrum für Türkeistudien in Essen. Da Marco seit einem Jahr wieder in Deutschland ist, drohe ihm vonseiten der türkischen Justiz keinerlei Gefahr mehr. "Das Schlimmste, was ihm bei einer Verurteilung passieren kann ist, dass er nicht mehr in dieses Land einreisen kann", sagte Halm. Auf keinen Fall werde Marco in die Türkei ausgeliefert, noch werde die mögliche Strafe in Deutschland vollstreckt.