K O M M E N T A R

Der Wert großer Koalitionen ist umstritten. Ihr Ergebnis sei kleine Politik, allenfalls in Notzeiten hätte ein Zusammengehen der beiden großen Volksparteien seine Berechtigung. So lautet das Mehrheitsurteil von Politikern wie Politologen. Die Flutkatastrophe ist zweifelsohne eine Notzeit. Allerdings eine räumlich und zeitlich begrenzte. In dieser Begrenzung hätte eine Zusammenarbeit von SPD und Union zur Behebung der akuten Not dem Land sicherlich gut getan und dem Ansehen des Kanzlers und seines Herausforderers keinesfalls geschadet. Doch es ist Wahlkampf. Der gestaltete sich für Kanzler Schröder ausgesprochen schwierig. Nichts wollte gelingen. Bis die Flut kam und mit ihr die Stunde der Exekutive. Schröder konnte handeln und tat das auch. Sein Herausforderer Stoiber war auf dem falschen Fuß erwischt. Urlaub auf Juist, kein Kompetenter für Umweltfragen im Team, Zickzackkurs auf schwankendem Grund, was die finanzielle Bewältigung der Flutschäden angeht. Konfuse Steuererhöhungsvorschläge, bis sich die Union auf ihren Ruf als wirtschaftskompetente Partei besann und zurückruderte. In der Stunde der Not fanden die beiden Großen nicht zueinander. Stoiber konnte nicht auf Schröder zugehen, weil er weder auf diesen Fall vorbereitet war noch sich schnell genug darauf einstellen konnte. Und der Kanzler wollte nicht die Hilfe der Opposition, weil er endlich ein Thema und ein Betätigungsfeld gefunden hatte, das seine Partei aus dem lang anhaltenden Umfrage-Tief bringen kann. Braucht dieses Land aber nach der Flut eine große Koalition? Einen Kanzler, der nur bei Katastrophen zur Höchstform aufläuft, und einen Vize, der in den Monaten dazwischen den grauen Alltag bewältigt? Zwei große Koalitionäre, die sich vor allem im Steuererhöhen einig werden? Da sei der 22. September vor!