Gute Ausgangsposition für Horst Köhler: Linksparteichef Lothar Bisky schließt nicht aus, dass Vertreter seiner Partei bei der Bundespräsidentenwahl für Köhler stimmen.

Berlin. Die Wiederwahl-Chancen für Bundespräsident Horst Köhler sind unmittelbar vor der Bundesversammlung am 60. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik weiter gestiegen. Überraschend hielt der Linke-Vorsitzende Lothar Bisky Stimmen aus seiner Fraktion im zweiten Wahlgang für den Amtsinhaber für möglich, der von Union und FDP vorgeschlagen ist. Auch die Freien Wähler aus Bayern betonten ihre Unterstützung für Köhler, dessen Hauptkonkurrentin an diesem Sonnabend in Berlin die von der SPD nominierte Universitätsprofessorin Gesine Schwan ist.

Die 13. Bundesversammlung, die das nächste Staatsoberhaupt wählt, hat 1224 Mitglieder. Die Hälfte von ihnen sind die 612 Bundestagsabgeordneten, die andere Hälfte wurde von den Landtagen bestimmt, die wie üblich nicht nur Parlamentarier, sondern auch Sportler, Künstler und andere Personen des öffentlichen Leben nach Berlin entsenden. Wie viele Delegierte den Bundesländern zustehen, richtet sich nach der Bevölkerungszahl. Die Wahlmänner und -frauen reisen zwar auf Partei-Ticket nach Berlin, doch können sie völlig frei entscheiden.

Am 60. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes könnte Köhler sogar schon im ersten Wahlgang gewählt werden. Der 66-Jährige müsste dazu allerdings fast alle Stimmen von CDU, CSU, FDP und Freien Wählern erhalten. Das ist bei der großen Zahl der Mandate in der Bundesversammlung aber unsicher, weil es auch in der Vergangenheit immer wieder „Abweichler“ in den jeweiligen Lagern gab. In den ersten beiden Wahlgängen muss die absolute Mehrheit der 1224 Mitgliedern für einen der Kandidaten stimmen, damit er gewählt ist – das wären 613 Stimmen. Union (497), FDP (107) und Freie Wähler (10) verfügen zusammen über gerade einmal eine Stimme mehr als zur absoluten Mehrheit erforderlich.

Auf die SPD entfallen 418, auf die Grünen 95 und die Linkspartei 90 Stimmen. Schwan wird neben der SPD auch von der Mehrheit der Grünen unterstützt werden. Die Linke schickt den Schauspieler Peter Sodann ins Rennen, der aber als chancenlos gilt. Hinzu kommen rechtsextremistische Wahlmänner (Kandidat: Frank Rennicke) und drei weitere fraktionslose Delegierte.

Bislang war davon ausgegangen worden, dass die Linke Sodann im ersten, aber auch im möglichen zweiten Wahlgang aufstellt. Mit einem Rückzug Sodanns wurde im dritten Wahlgang gerechnet. Ob die Linke dann Schwan unterstützt, sollte nach den bisherigen Darstellungen der Partei in einer Fraktionssitzung während der Bundesversammlung diskutiert werden.

Bisky sprach nun davon, dass es nach einem möglichen Rückzug Sodanns nach dem ersten Wahlgang „eine Freiheit der Entscheidung“ gebe. „Die Bundesversammlung ist frei, und jede Wahlfrau, jeder Wahlmann muss das mit seinem Gewissen vereinbaren“, sagte der Parteivorsitzende im Südwestrundfunk (SWR). Es sei eine Wahl „zwischen zwei Persönlichkeiten“. Sowohl Köhler als auch die SPD- Kandidatin Gesine Schwan seien „mit Vorteilen versehen“.

An Amtsinhaber Köhler lobte Bisky, dass er als erster Präsident ein Interesse an Gesprächen über die Lage in Ostdeutschland gehabt habe. Schwan sei Repräsentantin einer guten deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Allerdings sehe er nicht, dass die SPD-Führung an ihrer Wahl interessiert sei.

Die Stimmen der Freien Wähler scheinen Köhler dagegen sicher zu sein. „Wir werden für Horst Köhler stimmen“, sagte der in der Bundesversammlung vertretene Vorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, im ZDF. „Er vertritt die Werte, die für uns als Partei der Mitte wichtig sind.“ Aiwanger sprach sich für eine Direktwahl des Bundespräsidenten aus. „Die Bürger suchen eine Vertrauensperson, einen Mentor, der den Parteienzwist überbrückt. Ein direkt gewählter Bundespräsident wäre da hilfreich.

Es ist die 13. Wahl des Staatsoberhaupts der Bundesrepublik. Erst bei zwei Wahlen war ein dritter Wahlgang erforderlich – bei der von Gustav Heinemann (SPD) 1969 und bei der von Roman Herzog (CDU) 1994. Noch nie wurde ein amtierender Bundespräsident, der sich – wie Köhler jetzt – zur Wiederwahl gestellt hatte, in der Bundesversammlung gleichsam abgewählt. Zwei Amtsperioden, die nun auch Köhler anstrebt, absolvierten bislang nur Theodor Heuss (1949-1959), Heinrich Lübke (1959 – 1969) und Richard von Weizsäcker (1984-1994). Der Bundespräsident wird traditionsgemäß am 23. Mai gewählt – dem Tag der Verkündung des Grundgesetzes und damit dem Gründungstag der Bundesrepublik.