SPD-Bewerberin zum Abendblatt: “Das Amt hat Potenzial.“ CDU-Ministerpräsident Wulff nimmt sie gegen Kritik in Schutz.

Für den eiligen Weg nach oben steht im Hamburger Rathaus ein Fahrstuhl bereit. Gesine Schwan eilte durch das Foyer mit den hohen Decken, vorbei an tuschelnden Touristen, verschwand im Aufzug und hob ab. Wer die enge Treppe zum Raum B nimmt, muss am Zimmer der Linksfraktion vorbei. Aber die Linken sollten auf der Hamburg-Station der Deutschland-Tournee für die SPD-Bundespräsidenten-Kandidatin keine Rolle spielen.

"Es geht um die Zukunftsperspektiven in der Krise", sagte Schwan dem Abendblatt. Darüber hat sie gut eine Stunde mit Hamburger SPD- und GAL-Abgeordneten diskutiert. Schon bei ihrem ersten Anlauf auf das höchste Amt im Staate 2004 hatte sie das Land bereist und sich den Wahlfrauen und -männern vorgestellt.

Die CDU/CSU schickt den Amtsinhaber und Favoriten Horst Köhler ins Rennen am 23. Mai. Die Linken haben den "Tatort"-Kommissar Peter Sodann aufgestellt. Allerdings kam Sodanns preisgekrönte Schauspieler-Kollegin Nina Petri ins Hamburger Rathaus, um Schwan zu lauschen. Petri ist Wahlfrau für die SPD in der Bundesversammlung. Von Schwan hat die engagierte, aber parteilose Schauspielerin einen guten Eindruck gewonnen.

Schwan sagte dem Abendblatt, sie grenze sich nicht von Köhler ab. "Es geht darum, wie ich das Amt verstehe. Ich denke, das Amt hat sehr viel Potenzial." Eines, das Köhler nicht nutzt? Sie sagt, ihr gehe es um die richtige Ansprache. Den Wahlmann Günter Ploß, Vorsitzender des Hamburger Sportbundes und Krankenkassen-Verbandschef, hat sie gepackt. "Frau Schwan hat unter anderem über die Solidarität in der Gesellschaft gesprochen, auch über die zwischen Jung und Alt. Das ist ein wichtiges Thema, weil sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in den vergangenen Jahren immer mehr aufgelöst hat." Und die sozialen Unruhen, die sie mit Äußerungen zur Wirtschaftskrise womöglich schüre? "Ich habe an keiner Stelle von sozialen Unruhen gesprochen", sagte Schwan.

Unverhofften Beistand hat die Kandidatin von der Union erhalten. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte der "Neuen Presse" (Hannover): "Wer Gesine Schwan kennt, weiß, dass sie keine sozialen Unruhen schüren wollte." Die Diskussion um eine Gewaltreaktion aus der Bevölkerung sei "hysterisch". Wulff sagte: "Wir sollten Frau Schwan, unserem Bundespräsidenten Köhler und allen anderen, die nachdenklich reden, aufmerksam zuhören." Er sei überzeugt, dass die überragende Mehrheit der Menschen auch weiterhin Gewalt und Rechtsbruch ablehne.

Dass die Debatten ausgerechnet kurz vor dem 1. Mai entbrennen, wenn schon traditionell in Berlin und Hamburg Autonome die Straßen entern, ist heikel. Globalisierungsgegner haben das Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise" ausgegeben. In ihrer Profilierungsstrategie einen Monat vor der Bundespräsidentenwahl müssen Köhler wie Schwan den richtigen Ton treffen. Während Köhler nach seiner "Berliner Rede" und Kritik an Managern und Bankern mit ruhiger Hand im Schloss Bellevue die Wahlmännerstimmen zählt, muss Schwan staatsfraulich, aber herausfordernd auftreten. In Hamburg scheint ihr das gelungen zu sein.