Der neue General sagt, wie CDU und CSU wieder über 40 Prozent kommen. Und welche Figur Bundeskanzlerin Merkel als Krisenmanagerin macht.

Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, wie dürfen wir Sie ansprechen?

Karl-Theodor zu Guttenberg:

(lacht): Wir haben es auf zu Guttenberg heruntergekürzt.



Abendblatt:

Sie sind adelig, erst 36 und haben wenig CSU-Stallgeruch - spüren Sie manchmal Misstrauen in der eigenen Partei?

Zu Guttenberg:

Breites Vertrauen muss man sich in jedem neuen Amt immer durch Leistung erarbeiten. Ich bin erst seit zehn Jahren in der CSU. Aber ich bin jetzt schon mehrfach in einem ländlichen Wahlkreis in den Bundestag gewählt worden. Das schafft man nur, wenn man bodenständig und bierzelttauglich ist.



Abendblatt:

Wie heben Sie sich von Vorgängern ab wie - sagen wir - Markus Söder?

Zu Guttenberg:

Ich versuche einfach, ich selber zu bleiben. Bei aller amtsnotwendigen Verkürzung der politischen Aussage ist es mir wichtig, die Substanz zu bewahren.



Abendblatt:

Herr zu Guttenberg, unsere Wirtschaft steuert in eine Jahrhundertkrise. Ist die Bundeskanzlerin eine gute Krisenmanagerin?

Zu Guttenberg:

Ich bin überzeugt davon. Sie geht mit der gebotenen Nüchternheit und Besonnenheit an die Fragestellungen heran, das hat sie beim Investitionspaket eindrucksvoll gezeigt. In diesen Tagen ist allerdings auch entscheidend, dass wir in die Bevölkerung hinein Signale des Mutes und des Optimismus geben. Von einem Jahr der schlechten Nachrichten zu sprechen ist zwar ehrlich. Wir müssen aber auch den Menschen deutlich machen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um die schlechten Nachrichten so klein wie möglich zu halten.



Abendblatt:

Das Konjunkturpaket, das die Bundesregierung geschnürt hat, ist auf massive Kritik gestoßen. Zu Ihrer Überraschung?

Zu Guttenberg:

Wenn ordnungspolitische Grundlinien, die man jahrzehntelang für richtig erachtet hat, punktuell infrage gestellt werden, sind Widerstände zu erwarten. Ich rate dazu, nicht von Konjunkturprogramm zu sprechen, sondern von einem zeitlich begrenzten Investitionsprogramm. Was wir derzeit machen, darf nicht zum jahrelang andauernden Selbstläufer werden. Es geht um einen Impuls für die Wirtschaft, aber nicht um Dauer-Alimentation.



Abendblatt:

Was würde jetzt am besten helfen?

Zu Guttenberg:

Neben dem Investitionsprogramm sind Steuersenkungen ein wesentlicher Faktor. Wir fordern eine breite Entlastung bei der Einkommenssteuer, vor allem in den Teilen der Gesellschaft, bei denen in den vergangenen Jahren wenig an Entlastung angekommen ist: Familien und Arbeitnehmer. Die CSU hat bereits im Sommer ein seriös durchgerechnetes Modell vorgestellt. Damit sind wir einen erheblichen Schritt weiter als die CDU.



Abendblatt:

Sie sprechen vom Modell des zurückgetretenen Parteichefs Erwin Huber ...

Zu Guttenberg:

... das keineswegs obsolet und mit einem ausgeglichenen Haushalt in Einklang zu bringen ist - auch wenn wir angesichts der Finanzkrise das Jahr 2011 wohl nicht mehr im Auge behalten können.



Abendblatt:

Darüber ärgern sich in der CDU nicht nur Finanzpolitiker.

Zu Guttenberg:

Vielleicht sollte der eine oder andere Kollege seinen Ärger auch an den außergewöhnlichen Gegebenheiten dieses Jahres messen und noch mal nachschauen, was die CSU vorgeschlagen hat.



Abendblatt:

Sie grollen - obwohl die CDU auf ihrem Parteitag ebenfalls Steuersenkungen beschließen will. Können Sie der Schwesterpartei die unterlassene Hilfeleistung vor der Bayernwahl nicht verzeihen?

Zu Guttenberg:

Ich grolle nicht, sondern freue mich, dass der Erkenntnisgewinn zwar spät, aber überhaupt kommt. Auf dieser Grundlage müssen die nächsten Schritte erfolgen. Das Steuersenkungs-Modell der CSU muss zumindest in Teilen noch vor der Bundestagswahl umgesetzt werden. Die Bevölkerung muss erkennen, dass die Union über Anträge hinaus zum Handeln bereit ist. Mit einem Antrag auf einem Parteitag ist noch kein Vertrauen gewonnen.



Abendblatt:

Die EU-Kommission fordert von den Mitgliedsstaaten, auch die Mehrwertsteuer zu senken. Großbritannien geht voran. Zieht Deutschland mit?

Zu Guttenberg:

Unser Ziel muss sein, den Verbrauchern mehr Netto in die Taschen zu geben. Das schaffen wir am besten mit einer Senkung der Einkommenssteuer, denn bei einer Senkung der Mehrwertsteuer ist nicht zwingend gesichert, dass das bei den Verbrauchern ankommt.



Abendblatt:

Horst Seehofer hat das geplante EU-Klimapaket infrage gestellt - und ist auf massive Kritik auch von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust gestoßen.

Zu Guttenberg:

Niemand gibt die Klimaziele auf. Aber wir brauchen mehr Flexibilität. Wieso kann das EU-Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken, nicht zeitlich umgeschichtet und in flacheren Schritten erreicht werden? Klimaschutz hat hohe Priorität, aber die Gefährdung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen sollte doch in die Betrachtungen einbezogen werden. Der bisherige Zeitplan stammt noch aus der Zeit, als von der jetzigen Wirtschaftskrise weit und breit nichts zu sehen war.



Abendblatt:

Von Beust warnt davor, Ökologie und Ökonomie gegeneinander auszuspielen.

Zu Guttenberg:

Mit diesem Vorwurf ist er bei uns falsch gewickelt. Wir wollen Ökonomie und Ökologie verknüpfen. Herr von Beust sollte Horst Seehofer gut genug kennen, um zu wissen, dass seine Äußerungen von gesamtstaatlicher Verantwortung getragen sind. In dieser Verantwortung stehen übrigens nicht nur Länder mit Automobilstandorten.



Abendblatt:

Auf ihrem Parteitag in Leipzig hat die CDU einen wirtschaftsliberalen Kurs beschlossen. In Dresden hat sie zwei Jahre später diesen Kurs korrigiert. Am Wochenende trifft sich die CDU zum Parteitag in Stuttgart. Welche Weichenstellungen erwarten Sie?

Zu Guttenberg:

Solche, die über die Wirtschaftskrise auch hinausreichen. Weichenstellungen, die einen ordnungspolitischen Kurs erkennen lassen und sich hoffentlich in Einklang bringen lassen mit den Ideen der CSU. Die programmatischen Bekenntnisse etwa zur Steuerpolitik müssen konkret ausgestaltet werden. Wichtig ist dabei, die Menschen nicht nur mitzunehmen, sondern sie auch wieder ernster zu nehmen.



Abendblatt:

Im vergangenen Bundestagswahlkampf haben viele Menschen die CDU als Partei der sozialen Kälte wahrgenommen ...

Zu Guttenberg:

Ich teile diese Einschätzung nur bedingt. Wichtig ist, dass die Union zentrale Themenfelder mit Köpfen besetzt, die sich in der Bevölkerung neben fachlicher Kompetenz auch Sympathie und Glaubwürdigkeit erfreuen. Das sehe ich bei der Kanzlerin völlig gegeben. Das ist aber auch in der Breite darzustellen.



Abendblatt:

Welches Gesicht ist das CDU-Gesicht der Zukunft: das liberale eines Ole von Beust oder das konservative eines Roland Koch?

Zu Guttenberg:

Da würde ich immer antworten: das von Angela Merkel.



Abendblatt:

Tut Schwarz-Grün in Hamburg der Union gut?

Zu Guttenberg:

Aus der Ferne betrachtet ist es ein spannendes Projekt, das einen sehr eigenen Hamburger Charakter atmet. Ich sehe darin aber kein Modell für andere Bundesländer oder gar für die Bundesebene.



Abendblatt:

Eine Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl scheidet aus?

Zu Guttenberg:

Zielsetzung ist eine bürgerliche Mehrheit mit der FDP. Daran sollte man arbeiten und sich nicht vorauseilend in die Selbstaufgabe begeben. Eine Fortführung von Schwarz-Rot wäre unter den gegebenen Alternativen die denkbar schlechteste. Es ist entscheidend, dass die Union ihre Anstrengungen verstärkt, um wieder über 40 Prozent zu kommen.



Abendblatt:

Ist die CSU nach dem Wahldesaster vom September schon aus dem Gröbsten raus?

Zu Guttenberg:

So weit will ich nicht gehen. Wir sind in keinem einfachen, aber wieder an klaren Zielen ausgerichteten Prozess. Um abgewanderte Wähler zurückzugewinnen, darf insbesondere für den Vorwurf des Hochmuts kein Raum sein. Aber nicht nur die CSU muss zulegen. Vergessen Sie bei dieser Fragestellung auch mal die CDU nicht.



Abendblatt:

Worauf wollen Sie hinaus?

Zu Guttenberg:

Ich will keine galligen Ratschläge geben. Aber der jetzt eingeleitete Prozess der CSU, Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen und das Profil zu schärfen, kann durchaus Vorbildcharakter haben.