Nach dem Scheitern Andrea Ypsilantis werden in Hessen vorgezogene Neuwahlen immer wahrscheinlicher. Jetzt wollen auch die Grünen an die Urnen. CDU und FDP hatten sich bereits für diesen Weg ausgesprochen. Gleichzeitig erklärte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und prominenter Ypsilanti-Abweichler Jürgen Walter am Dienstagabend seinen Rücktritt.

Wiesbaden. Nach heftiger innerparteilicher Kritik an seinem Verhalten erklärte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Jürgen Walter am Dienstagabend seinen Rücktritt. Er hatte gemeinsam mit drei weiteren Abgeordneten der SPD-Chefin Andrea Ypsilanti seine Unterstützung verweigert und ihre Wahl zur Ministerpräsidenten einer rot-grünen Minderheitsregierung platzen lassen. SPD-Sprecher Frank Steibli sagte, Walter habe seinen Schritt in einem Fax an die Landesgeschäftsstelle mit dem Wunsch vieler in der Partei begründet. Der 40-Jährige habe das Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt.

Gleichzeitig forderte der Landesvorstand der hessischen Grünen in der Nacht zum Dienstag eine baldestmögliche Auflösung des Landtags und damit Neuwahlen. Das Gremium berief für den kommenden Samstag den Parteirat ein, der über einen entsprechenden Antrag abstimmen soll. Nach Beratungen in der Landtagsfraktion sowie mit den Kreisverbänden äußerte der Grünen-Landesvorstand zugleich sein Bedauern, dass der Politikwechsel und damit die Ablösung der Regierung von Ministerpräsident Roland Koch zum zweiten Mal "an der SPD unter Führung von Andrea Ypsilanti" gescheitert sei.

Mit dem Beschluss scheint es keine ernsthafte Chance mehr für die Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen zu geben. Gespräche darüber hatten sowohl Koch als auch der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn vorgeschlagen. Beide hoben aber hervor, dass nur eine schnelle Lösung Neuwahlen noch abwenden könne.

Eine Auflösung des Landtags könnten die Abgeordneten frühestens in der nächsten Plenarsitzung am 18. November beschließen. Die Neuwahl müsste nach der Landesverfassung dann binnen 60 Tagen, also bis Mitte Januar, stattfinden. CDU und FDP hoffen, nach einer solchen Neuwahl doch noch eine eigene Mehrheit im Landtag zu finden.

"Wir haben sicher bessere Chancen als vorher", sagte der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende und Innenminister Volker Bouffier am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. Zugleich kündigte er an, dass die CDU in diesem Fall wieder mit Koch antreten werde. "Roland Koch ist unser Landesvorsitzender und Ministerpräsident, und die Verhandlungen und Entscheidungen werden unter seiner Führung stattfinden", sagte Bouffier.

Der hessische FDP-Vorsitzende Hahn sagte: "Ich halte es für die eindeutig sauberste Lösung, dass das hessische Parlament Voraussetzungen für eine Neuwahl schafft." Der vorliegende Koalitionsvertrag von SPD und Grünen zeige, wie weit die Grünen von einem Jamaika-Bündnis entfernt seien.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Priska Hinz lehnte eine Koalition mit der FDP ebenfalls ab. Es sei nicht absehbar, dass die CDU zu einer ökologisch-sozialen Reformpolitik bereit sei. "Ich bin mir sicher, dass die Grünen nicht den Weg in eine Jamaika-Koalition suchen werden", fügte Hinz hinzu. Aber auch mit der SPD sei auf absehbare Zeit kein Regierungswechsel machbar.

Der Frankfurter SPD-Ortsverein Bonames stellte am Dienstag einen Antrag auf Parteiausschluss der vier abtrünnigen Landtagsabgeordneten Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Carmen Everts und Silke Tesch. "Das Verhalten dieser vier Genossen ist eindeutig parteischädigend", hieß es zur Begründung.

Die hessische Bundestagsabgeordnete Helga Lopez erhob sogar indirekt den Verdacht einer Bestechlichkeit der vier Abweichler. "Ich hätte nicht erwartet, dass die mächtige Energiewirtschaft doch noch siegt", sagte sie. "Vielleicht stimmen die Silberlinge ja", wird Lopez weiter zitiert.

Der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering rief die hessischen Sozialdemokraten auf, gemeinsam einen Weg aus der Krise zu finden. Im ZDF bezeichnete er Ypsilanti als "tüchtige Politikerin". Er warf ihr aber auch Fehler vor: "Man darf vor der Wahl nicht solche Dinge versprechen, wenn man sie hinterher nicht halten kann oder halten will. Das war ganz sicher ein Fehler."