Nach dem Urteil aus Karlsruhe will Schleswig-Holstein auf das Scannen von Kennzeichen lieber verzichten.

Kiel/Hannover/Berlin. Es gibt keinen Blitz, kein rotes Licht und keine erschrockenen Reaktionen von Autofahrern: Wenn die Polizei automatisch Kennzeichen erfasst, passiert das diskret und von den Betroffenen meist unbemerkt. Eine Kamera filmt die vorbeifahrenden Autos, das Kennzeichen wird als Standbild eingelesen, gescannt und an die Fahndungsdatenbank der Polizei übermittelt. Innerhalb von Sekundenbruchteilen kommt die Rückmeldung, sodass die Polizei zugreifen kann - aber nur im Idealfall.

Denn unabhängig vom Nein des Bundesverfassungsgerichts zur Kennzeichenerfassung in ihrer derzeitigen Form in Hessen und Schleswig-Holstein ist auch der tatsächliche Nutzen Automatischer Kennzeichenlesesysteme (AKLS) für die Fahndung höchst umstritten.

Die ideale Lösung für anspruchsvolle Fahndungssituationen verspricht etwa der Hersteller Vitronic aus Wiesbaden. Das mobile Gerät decke auf bis zu zwei Fahrspuren eine große Bandbreite möglicher Verkehrsszenarien ab. Kennzeichen könnten auch erkannt und gelesen werden, wenn die Fahrzeuge dicht hinter- oder nebeneinander fahren oder die Spur wechseln.

Selbst bei Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern arbeite das System zuverlässig. Es wird im Heck eines Fahrzeugs oder auf einem Stativ angebracht, der Preis liegt zwischen 30 000 und 40 000 Euro.

Auch stationäre Systeme gibt es, die etwa an Brücken, am Straßenrand oder an Grenzübergängen eingesetzt werden können. Beide Systeme arbeiten mit Infrarot-Beleuchtung, können laut Hersteller also sowohl bei Tag als auch bei Nacht eingesetzt werden, ohne dass Autofahrer geblendet oder darauf aufmerksam gemacht würden.

Doch wie immer die technologische Ausgestaltung der Systeme ist, entscheidend ist, dass die rechtliche Grundlage einwandfrei ist. Und genau dies bemängelten die Karlsruher Richter in Schleswig-Holstein und Hessen. Dort sei nur unbestimmt geregelt, was mit den Trefferdaten geschehe und mit welchen übrigen Daten die erfassten Kennzeichen verknüpft werden könnten. Nach Ansicht des Gerichts sind damit Bewegungsprofile von Menschen nicht ausgeschlossen.

In Schleswig-Holstein wurde das Kfz-Scanning sofort nach dem Urteilsspruch eingestellt, und das möglicherweise für immer. "Ich habe nicht die Absicht, die untaugliche Maßnahme fortzusetzen", sagte Innenminister Lothar Hay (SPD). Der automatische Abgleich von Autokennzeichen mit Fahndungslisten sei "ein ungeeignetes Instrument, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwenden". Seit August seien landesweit 131 000 Autos erfasst worden. Die Polizei habe dabei lediglich 26 Verstöße gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz festgestellt. "Es wurde kein einziges gestohlenes Fahrzeug entdeckt." Aufwand und Ertrag ständen damit in einem klaren Missverhältnis. Über einen dauerhaften Verzicht auf das Kfz-Scanning will Hay nun mit dem Koalitionspartner CDU verhandeln.

Niedersachsen will auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kennzeichenerfassung in Hessen und Schleswig-Holstein die eigenen Lesegeräte weiter einsetzen. "Wir sind in Niedersachsen von dem Urteil nicht betroffen, da wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Praxis schon längst umsetzen", sagte Innenminister Uwe Schünemann. In Hamburg wird das Urteil auf Folgen für die eigene Gesetzgebung geprüft.

Von den in Niedersachsen eingesetzten Lesegeräten würden allein die Autokennzeichen abgescannt, sagte er. Die Gesichter der Fahrzeuginsassen würden nicht erfasst. In Hamburg wird das Urteil auf Folgen für die eigene Gesetzgebung geprüft.&160;