Es sind altmodische, nostalgische Reflexe, bei denen man sich ertappt. Wunsch-Reflexe nach Klarheit und Echtheit. Ein Wort, das zählt. Eine Überzeugung, die steht. Ein Programm, das hält. Politik sollte so sein. Und in den großen, den guten Momenten - davon mag sich noch nicht jeder von uns abbringen lassen - ist Politik das auch. Nur in Kurt Becks Welt ist sie das offensichtlich nicht mehr!

"Mit der Linken kann man nicht regieren." So hat es der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokratie noch vor einer Woche dieser Zeitung gesagt. Doch nach allem, was jetzt aus seiner Ecke zu hören ist, ist diese Aussage ungefähr so wertvoll wie die Beteuerung von Bill Clinton, er habe nie Sex mit seiner Praktikantin gehabt. Und die Glaubwürdigkeit des Herrn Beck wird damit wohl auch ähnliche Negativ-Rekorde brechen.

Das allein mag man ja nicht so sehr schlimm finden. Nun, vielleicht findet es sein wahlkämpfender Parteifreund Michael Naumann ein bisschen schlimm. Denn der kann nur noch verzweifelt "Nein, nein, nein!" in die Presseflüstertüten rufen. Richtig schlimm ist Becks Taktieren für all diejenigen altmodischen Menschen unter uns, die sich ihren naiven Glauben an das Prinzip "Ein Mann - ein Wort" erhalten haben: gerade in der Politik. Denn dadurch, dass der SPD-Vorsitzende am Vorabend der Wahl in Hamburg Spekulationen über eine parlamentarische Kungelei mit der Linkspartei zulässt, sägt er an der Basis von Politik: Vertrauen. Keiner darf sich wundern, wenn der SPD-Chef dadurch noch mehr Wähler in die Arme der Linken, der DVU und anderer Extremparteien treibt. Man kann den Parteien des demokratischen Spektrums für die Wahl am Sonntag nur wünschen, dass die Hamburger ihnen und ihren Kandidaten mehr Vertrauen entgegenbringen, als es Kurt Beck derzeit verdient.