Hamburg. Als Polizisten und Feuerwehrleute die Wohnung von Nicole M. (40) sahen, stockte ihnen der Atem: Elias, gerade mal drei Jahre alt, hockte wimmernd und mit Kot beschmiert vor dem Fernsehgerät. Seine Mutter, drogensüchtig, war nicht zu Hause. Monatelang hatten sie und der Junge in einer verschimmelten Wohnung gehaust, zwischen Essensresten und Spritzen, mit denen sich die Mutter ihre Heroin-Schüsse setzte. Die Spritzen ließ sie auf einem Tisch liegen. Ein Fall von Kindesvernachlässigung in Hamburg, der im Februar 2006 Deutschland erschütterte.

Vor dem Amtsgericht Barmbek wurde Nicole M. am Freitag der Prozess gemacht. Das Urteil: ein Jahr Haft auf Bewährung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht - so viel, wie die Staatsanwaltschaft beantragt hatte. Die höchstmögliche Strafe wären in diesem Fall drei Jahre Haft gewesen.

Strafmildernd berücksichtigte das Amtsgericht, dass die Tat relativ lange zurücklag, die Mutter nicht einschlägig vorbestraft ist und sich um eine Therapie kümmere. Und: Dass Elias sich seitdem gut entwickelt habe. Der Junge lebt jetzt bei einer Pflegefamilie. Er habe keinen Schaden erlitten, hieß es im Prozess.

Der Fall des kleinen Elias hatte damals auch die Diskussion in Hamburg vorangetrieben, ob genug für Kinder getan werde, um künftig solche tragischen Schicksale vernachlässigter Kinder zu verhindern. In einer Sondersitzung befasste sich seinerzeit auch der Familienausschuss der Hamburger Bürgerschaft mit dem Fall.

Die furchtbaren Bedingungen, unter denen der kleine Junge leben musste, waren nur durch einen Zufall entdeckt worden: Der Vermieter hatte an der Wohnung von Nicole M. am Alten Teichweg geklingelt, weil sie ihm Miete schuldete. Sie öffnete nicht, er hörte aber das Wimmern des Kindes - und alarmierte die Polizei. Die rief die Feuerwehr hinzu, dann brachen die Beamten die Tür auf.

Nach und nach kamen mehr Einzelheiten ans Licht: Die drogensüchtige Mutter ließ das Kind häufig allein in der Wohnung. Nachts ging sie aus und kehrte häufig erst am nächsten Mittag heim. Ein Sprecher des zuständigen Bezirksamtes Nord räumte nach dem Vorfall gegenüber dem Abendblatt ein, dass es bei der Betreuung von Mutter und Kind "grobe Versäumnisse" gegeben habe.

"Natürlich habe ich Mist gebaut, als ich das Kind allein gelassen habe", sagte Nicole M. damals dem Abendblatt. "Das hätte ich nicht tun dürfen." Die Großeltern von Elias, bei denen bereits die sechsjährige Tochter von Nicole M. lebt, hatten sich schon seit Langem um das Wohl ihres zweiten Enkelkindes gesorgt. Das Sorgerecht für Katja war der Mutter entzogen worden. Sie hätten, so sagten die Großeltern dem Abendblatt, die Behörden immer wieder gebeten, doch auch bei Elias endlich einzugreifen - doch nichts sei geschehen.