Kommentar

Gerade einmal sechseinhalb Stunden war der Amokläufer von Emsdetten tot, da meldete sich der erste Politiker öffentlich zu Wort und forderte ein Verbot von "Killerspielen". Es war mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Dieter Wiefelspütz der maßgebliche Vertreter einer Regierungspartei, der sich jetzt fragen lassen muss, was er eigentlich in der Sache in den vergangenen viereinhalb Jahren unternommen hat. Schon nach dem Amoklauf von Erfurt profilierte sich Wiefelspütz mit genau dieser Forderung. Und befindet sich damit in bester Gesellschaft etwa des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber, der sich damals wie heute mit Verbotsreflexen positioniert.

Solche naiven Reaktionen sind so ärgerlich wie irreführend. Verbote reizen gerade Jugendliche, sie zu umgehen. Nur eine weltweite Ächtung der Gewalt-Videospiele wäre wirksam, ist aber unrealistisch. Emsdetten ist nicht die Tat eines perspektivlosen jungen Menschen aus dem Problemstadtteil einer Großstadt, die Geschwister-Scholl-Schule keine Rütli-Schule. Umso mehr müssen wir uns fragen, warum er sich in virtuellen Hass und Verzweiflung geflüchtet hat, die er jetzt so grausam real auslebte. Wie können wir weitere Taten verhindern?

Es braucht nicht nur den Staat oder verschärfte Waffengesetze, sondern vor allem Menschen, die einschreiten, wenn sie merken, dass sich jemand derart abkapselt. Mitschüler, Eltern, Lehrer, die handeln. Und wohl auch mehr Experten, die Schülern wie Sebastian B. zeigen, wie man Frustration in Antrieb, Wut in Motivation verwandeln kann.

Jeder von uns muss sich verantwortlich fühlen, in seinem Umfeld aufmerksam sein. Weit mehr als bisher. Nach Emsdetten ist vor Emsdetten.