ABENDBLATT: Der Amokläufer von Emsdetten lebte teilweise in einer virtuellen Welt. Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen gewalttätigen Videospielen und gewalttätigen Jugendlichen?

CHRISTIAN BÖHM: Gerade bei besonders gewaltgefährdeten Jugendlichen können solche Medien Hemmschwellen senken. Computerspiele sind nicht grundsätzlich zu verdammen. Aber Gewaltspiele können der Tropfen sein, der das Fass überlaufen lässt.

ABENDBLATT: Wie viele solcher Jugendlicher gibt es, die derart vor der Realität flüchten?

BÖHM: Die Dunkelziffer ist kaum einzuschätzen. Wir können daher so einen Fall nicht für Hamburg ausschließen. Bei derartigen Amokläufern handelt es sich aber um absolute Einzelfälle, die wir im Übrigen von anderen Gewalttätern trennen sollten, etwa den drei- bis fünfhundert sogenannten Intensivtätern, die wir in Hamburg kennen.

ABENDBLATT: Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat ermittelt, dass jeder dritte Viertklässler einen eigenen Fernseher im Zimmer hat, noch öfter eine Computer-Spielkonsole. Eine Entwicklung, die Sie auch kennen?

BÖHM: Ja. Ich halte es für besonders problematisch, dass Schüler manchmal stundenlang vor ihrem Computer oder dem Fernseher hocken. Wenn Eltern da nicht eingreifen, werden Computerspiele oft wichtiger als die Schule. Jugendliche verbringen etwa die ganze Nacht dort und schwänzen dann den Unterricht.

ABENDBLATT: Wie kann man so etwas rechtzeitig erkennen, wer ist präventiv gefordert?

BÖHM: Es kommt auf das engste Umfeld solch eines Menschen an: Freunde, Mitschüler - sie müssen etwa Lehrern Hinweise geben, uns informieren, damit wir reagieren können. Das ist keine Denunziation, das zeigt Zivilcourage. Sie brauchen dafür auch Schulen, an denen es eine Kultur etwa des respektvollen Umgangs miteinander gibt.

ABENDBLATT: Müssen Eltern mehr gucken, was ihre Kinder eigentlich in der Freizeit machen?

BÖHM: Ja. In erster Linie sind Eltern gefordert, mitzubekommen, was ihre Kinder eigentlich so treiben. Und wenn sie das Gefühl haben, dass da etwas nicht normal ist, sollten sie sich nicht schämen, professionelle Beratung zu suchen.