Koalition: Bundesregierung bereitet die Deutschen vor

BERLIN. Die große Koalition bereitet Patienten auf Mehrbelastungen durch die geplante Gesundheitsreform vor. "Es wäre unredlich zu sagen, daß wir so viel Wirtschaftlichkeitsreserven haben, daß wir in Zukunft das Gesundheitssystem in seiner Leistungsfähigkeit, so wie es ist, finanzieren können. Wir werden zusätzliche Mittel brauchen", sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) gestern. Bisher sei aber noch nicht entschieden, ob dies ein "Gesundheits-Soli" sein könne, den Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ins Gespräch gebracht hatte. Zöller schloß eine stärkere Steuerfinanzierung nicht aus.

Die Gesundheitsexperten der großen Koalition setzten ihre Beratungen in Berlin fort. Bis Ende Juni soll das Reformgerüst stehen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hält angesichts massiver Einnahmeprobleme auch eine breitere Finanzierungsbasis für notwendig. "Die Erwerbstätigkeit hat zur Sicherung des Lebensunterhalts an Bedeutung verloren", heißt es in einem Diskussionspapier der Bundesregierung für die Koalitions-Arbeitsgruppe. Die Prognosen zur Entwicklung von Löhnen und Beschäftigung deuteten nicht auf deutliche Mehreinnahmen für die Krankenversicherung hin. Deshalb sei es nötig, "von der Konzentration auf abhängig Beschäftigte abzukommen und Finanzierung und Mitgliederkreis auf eine breitere Grundlage zu stellen".

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach rechnet erst in einigen Jahren mit Spareffekten. Wie Zöller warnte er davor, immer mehr Geld ins Gesundheitssystem zu pumpen, und plädierte dafür, nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. Außerdem würden Lohn und Gehalt zu stark belastet, aber Zinskapitalerträge und Steuereinkünfte nicht herangezogen.

Die Finanzierung wird von Union und SPD wegen unterschiedlicher Vorstellungen in der Arbeitsgruppe zunächst ausgeklammert. Die Union favorisierte ursprünglich eine einheitliche Kopfpauschale oder Prämie, die SPD eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbständige einzahlen. Kauders Vorschlag sieht einen Fonds vor, in den Bürger und Firmen zahlen, dazu kommen Steuergelder. Die Kassen erhalten einen einheitlichen Beitrag für jeden Versicherten. Ein Zuschlag ist möglich, wenn eine Kasse viele alte und kranke Menschen versichert. Wenn sie damit nicht auskommt, könnte eine Extraprämie fällig werden.

Die Junge Union (JU) hält das Modell Kauders für verfassungswidrig. Eine Abdeckung der Gesundheitskosten von Kindern über Steuern statt über direkte Beiträge werde vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben, sagte der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, dem Berliner "Tagesspiegel".

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), von vielen Gesundheitspolitikern als schweres Reformhindernis eingestuft, forderte eine zügige Reform. Bis zum Sommer müsse es Signale geben. KBV-Chef Andreas Köhler kritisierte die erwogene Ausdehnung von Einzelverträgen zwischen Krankenkassen und Ärzten oder Kliniken.