Väter: Nur fünf Prozent der deutschen Männer nehmen nach der Geburt eines Kindes statt der Mütter eine Auszeit von ihrem Beruf. Fünf Väter erzählen, wie sie als Vollzeit-Hausmänner klarkommen. Vollzeit-Papas sind die Ausnahme. Das neue Elterngeld und die Vätermonate sollen das ändern. Fünf Männer, die schon jetzt zu Hause bleiben.

Hamburg. Normalerweise ist Jan Röhe (33) für exquisite Gaumenfreuden im Elblokal "Rive" zuständig, heute steht bei dem Koch mit Meisterbrief Kürbisbrei auf dem Küchenplan. Sein einziger Gast: Söhnchen David, zehn Monate. "Die letzten Löffelchen dauern immer am längsten", sagt Röhe und wischt sich einen sattgelben Klecks vom Polohemd. Seit Anfang des Jahres ist er für David zuständig, während seine Frau arbeiten geht. Sein Tag fängt früh an: Frühstück machen, Kind waschen, wickeln, Zähne putzen. "Am besten schon mal die erste Waschmaschine anwerfen", sagt er. Danach abwaschen, Staub saugen, schnell einige Besorgungen erledigen. Nach Mittagsgemüse und Schläfchen beginnt die Nachmittagsroutine. Auch wenn es anstrengende Momente gibt, ist Jan Röhe froh: "Es ist schön, dabeizusein."

Vollzeit-Daddy Röhe ist immer noch die Ausnahme in Deutschland. Nicht mal fünf Prozent der Väter entscheiden sich für Elternzeit - obwohl das jedem Arbeitnehmer, also Männer und Frauen, bis zum dritten Lebensjahr des Kindes zusteht. Auch Teilzeitlösungen und die Möglichkeit, gemeinsam Elternzeit zu nehmen, wird - anders als in Skandinavien - kaum genutzt. Als Begründung nennen die meisten höhere Einkommensverluste, wenn er statt ihr zu Hause bleibt. Abhilfe soll von Beginn 2007 an das neue Elterngeld schaffen inklusive zwei Vätermonaten extra - als Anreiz für mehr männliche Verantwortung für Kinder und Erziehung.

Für Dieter Bednarz (49), Nahost-Experte beim "Spiegel", war das auch ohne staatliche Intervention von Anfang an klar. "Wenn wir schon das Glück haben, die Kinder zu bekommen, nach denen wir uns so lange gesehnt hatten, wollte ich auch für sie da sein", sagt der Redakteur, der mit einer selbständigen Rechtsanwältin verheiratet ist. "Die Partnerschaftlichkeit ist mir wichtig." Als seine Zwillingsmädchen Fanny und Lilly im vergangenen August geboren wurden, fand Bednarz im Gespräch mit seinen Chefs eine für beide Seiten akzeptable Teilzeitlösung: Er ist die erste Hälfte der Woche zu Hause bei den Kindern, seine Frau die zweite. "Es funktioniert sehr gut, auch wenn der Druck manchmal groß ist. Selbst am Wickeltisch beschäftigt einen der Aufmacher, der am Ende der Woche stehen muß." Trotzdem, so Bednarz, dem durch das Modell in seinem Verlag unter den politischen Redakteuren eine Vorreiterrolle zugekommen ist, würde er es nicht anders wollen. "Ich glaube, ich bin daran noch mal gewachsen. Von den vielen Abenteuern, die ich schon erlebt habe, ist die Elternzeit das Größte."

Auf solche Männer setzen diejenigen im Land, die neue gesellschaftliche Ideale und eine andere Arbeitsteilung fordern. Diese, so Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, seien "die Voraussetzung für mehr Kinder in Deutschland". Und es ändert sich etwas - wenn auch langsam. "Es gibt eine neue Generation von Führungskräften, die damit anders umgehen", sagt Volker Baisch (39), der vor fünf Jahren in Hamburg den Verein "Väter e. V." gegründet hat - aus eigener Betroffenheit. Fünf bis zehn Männer pro Woche lassen sich bei ihm beraten, andere informieren sich über die Webseite. "Viele haben Bedenken, daß sie Schwierigkeiten bekommen, und sind dann überrascht, daß es oft gar nicht dazu kommt", beklagt der Sozialwirt den Informationsmangel.

Auch Thomas Runde (43), Filialleiter bei der HypoVereinsbank, hatte Bedenken, als er mit dem Wunsch ein halbes Jahr Elternzeit zu nehmen, zu seinem Chef kam. "Meine Frau ist Steuerberaterin, wollte kurz nach der Geburt unseres Sohns Lewin zudem den Familienbetrieb übernehmen", sagt er. Nachdem sie bei Tochter Laura Familie und Beruf gemanagt hatte, habe er auch einen Beitrag leisten wollen. "Mein Chef reagierte super", erinnert er sich. Auch die Kollegen hätten mitgemacht, seine Arbeit mit übernommen. "Das war gigantisch und hat mich noch mehr für meine Firma begeistert."

In der neuen Rolle sei es anfangs gar nicht so leicht gewesen. "Es war manchmal auch ein recht einsames Leben", erinnert Runde sich. Auch weil er in den Mütterzirkeln als einziger Mann Exot blieb. Trotzdem: "Es war eine der schönsten Zeiten in meinem Leben", sagt er. "Ein ganz anderes Gefühl von Gebrauchtsein." Und beruflich hat es dem Familienvater nicht geschadet: Er leitet inzwischen die Hamburger City-Filiale seiner Bank.

Das läuft nicht immer so reibungslos. Als Bruno Wolfram\* (44), angestellter Arzt in einem christlichen Krankenhaus in Hamburg und Vater von drei Kindern, im vergangenen Jahr ankündigte, er wolle neun Monate Elternzeit nehmen, sagte der Geschäftsführer: "Dann kündige ich Ihnen bei nächster Gelegenheit betriebsbedingt." Wolfram machte es trotzdem, auch weil seine Frau Freiräume für ihre Facharztprüfung brauchte. "Ich würde es wieder machen und allen Vätern empfehlen", sagt der Radiologe heute. "Es war ein unglaubliches Geschenk." Inzwischen ist die Elternzeit vorbei, Wolfram wurde in ein anderes Krankenhaus versetzt und prozessiert mit seinem Arbeitgeber. "Als ich mich zurückgemeldet habe, bekam ich zu hören, ich sei ein unerwünschter Mitarbeiter", sagt er. Aufgeben wird er nicht.

Auch Väterberater Baisch weiß, daß es solche Fälle gibt. "Aber inzwischen gibt es auch Unternehmen, die Familienfreundlichkeit auf ihre Fahnen schreiben, weil sie sonst keine Mitarbeiter bekommen." Da habe sich einiges getan.

Ein Beispiel ist Alexander Nicolaus (47). Als der Hamburger Architekt vor sechs Jahren bei seinen Chefs ankündigte, er wolle Erziehungsurlaub - wie das damals noch hieß - nehmen, wußten die nichts damit anzufangen. "Die haben gefragt, ob ich Bildungsurlaub meine", erinnert er sich. Letztlich wechselte er für zwei Jahre Schreibtisch mit Wickeltisch, während seine Frau das Geld ranschaffte. "Am besten war es, als unser zweiter Sohn kam und wir für drei Monate beide zu Hause waren", erinnert sich Nicolaus an eine intensive Zeit - auch wenn es im letzten Monat finanziell sehr eng wurde.

Was das Ehepaar vorgelebt hat, sieht Väter-Experte Baisch als Modell für die neuen Vätermonate. "Entscheidend sind die ersten Wochen nach der Geburt. Wenn die Familie die gemeinsam hätte, wäre das ein guter Startschuß." \*Name geändert