Kommentar: Elterngeld

Die große Koalition in Berlin ist in einem Punkt in der Tat schon ganz groß - beim Eigenlob. Und Eigenlob stinkt, sagt der Volksmund. Gut nur, daß er hier irrt. Sonst hätte es gestern in Berlin ziemlich stinken müssen. Die Spitzenkoalitionäre wollten mit der Selbstbeweihräucherung kaum aufhören.

Die SPD konnte nach der Koalitionsrunde am "Tag der Arbeit" die Trophäe Reichensteuer vorweisen. Die CDU hatte das Elterngeld bekommen, was vor allem für Familienministerin von der Leyen ein glanzvoller Sieg ist. Und die CSU konnte sich unter anderem mal wieder als Schutzmacht der Bauern profilieren.

Die Einführung des Elterngeldes nebst Vätermonaten ist der wichtigste Beschluß und geeignet, Deutschland ein Stück aus seiner familienpolitischen Rückständigkeit zu bringen. Doch die Kostenrechnung steht leider auf sehr wackeligen Füßen. Und solange der Staat - insbesondere die Kommunen - nicht mehr Geld in Bau und Ausbau von Kinderkrippen und -gärten steckt, und viele Firmen nicht familien- und elternfreundlicher werden, bleibt Familienpolitik Stückwerk und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Eltern mehr Traum als Realität.

Richtig ärgerlich ist es, daß die Koalition nicht auf unsinnige Symbolpolitik verzichten mochte. Nichts anderes ist die Reichensteuer. Sie bringt, das bestreiten insgeheim nicht mal hochrangige Sozialdemokraten, dem Staat wahrscheinlich kaum Geld ein, schadet aber womöglich dem Mittelstand, ist obendrein verfassungsrechtlich bedenklich und beschert der Finanzverwaltung wohl zusätzlich Bürokratie. Die Reichensteuer befriedigt nur Neidgefühle. Für solch unsinnige Sperenzien sollte sich die Koalition zu schade sein.