Weltjugendtag: Sei kommen aus Taiwan, Kanada, Spanien und Südkorea und auch von dem Philippinen - 400 000 junge Menschen aus 197 Nationen suchen Verständigung und Austausch. Wecken um sechs, nicht rauchen, kein Alkohol, jeden Tag fegen. Und doch: Die Hamburger finden es so schön.

Bonn/Köln. Das Warten hat sich gelohnt. Auch die Strapazen der Reise, das Schlangestehen, die kurze Nacht. "Jetzt spürt man, warum wir gekommen sind", sagt Maren (15). Ein "Halleluja" swingt von der riesigen Bühne über den Bonner Hofgarten. Und es ist, als ob der vielstimmige Gesang bis in den Himmel reicht - denn plötzlich reißt die dichte Wolkendecke auf. Die Sonne kommt heraus.

Dicht an dicht sitzen Maren, Sarah, Julia, Marleen und Stefan aus der Hamburger Pfarrgemeinde St. Sophien (Barmbek) auf ihren Jacken. Immer mehr junge Leute strömen singend, klatschend und mit großen Fahnen herbei. Am späten Nachmittag wollen sie hier eine Messe zur Eröffnung ihres Glaubensfestivals feiern. "Die kommen sogar aus Kanada", sagt Sarah (15) bewundernd. Nebenan haben sich einige Vietnamesen ausgebreitet. "Where do you come from", grüßen sie die Hamburger. Und die sind nun wirklich angekommen in der katholischen Weltjugend.

Einen Tag hat das gedauert. "Die erste Nacht war nicht so toll", sagt Julia (15). Alle Hamburger Pilger schlafen in einem Bonner Schulzentrum. Das Reglement ist streng und hängt auf A3-Zetteln in acht Sprachen aus: kein Alkohol, nicht rauchen, Abfall trennen, jeden Tag fegen. Die Mädchen haben ihre Isomatten in Klassenräumen ausgerollt, die Jungs liegen in der Turnhalle - strikt getrennt. In jedem Raum ist ein Gruppenleiter untergebracht. "Wecken war um sechs Uhr", stöhnt Sarah. Um sieben Uhr reichte die Schlange vor der Frühstücksausgabe durch das gesamte Gebäude. "Trotzdem waren alle ganz ruhig und besonnen. Die Spanier haben sogar gesungen", meint Marleen. Nach mehr als einer halben Stunde war es endlich soweit. Fürs erste Essensmärkchen gab es: Brötchen, Margarine, Marmelade, Joghurt, Kaffee und Saft. "Man durfte von allem nur ein Stück nehmen, sogar vom Zucker. Da haben die genau aufgepaßt", sagt Julia auf dem Weg zum Morgengebet in die nahe St.-Edith-Stein-Gemeinde. Ein bißchen müde noch laufen sie durch den Bonner Stadtteil Brüser Berg - immer den anderen hinterher. Ein langer Strom und auf jedem Rücken ein blauer Weltjugendtagsrucksack. "Das", sagt Marleen, "ist das Erkennungszeichen."

Erst mal nur ein äußeres. "Klar habe ich auch schon mit anderen geredet", meint Julia, aber so richtig in Gang gekommen sei noch nichts. Die Hamburger Mädels sind mit sich beschäftigt, damit sie sich ein bißchen zurechtfinden auf diesem Mega-Festival des Glaubens. Zusammen singen und beten ist ein erster Schritt. Jeder in seiner Sprache, so die Aufforderung. Daß trotzdem kein babylonisches Stimmengewirr daraus wird, sondern ein vielklingendes "Vaterunser" in Spanisch, Italienisch, Englisch, Französisch und Deutsch, paßt zu der aufkeimenden Stimmung. "Ich fand es sehr schön", sagt Maren.

Da ist sie zu spüren, diese Sehnsucht nach etwas Höherem, Verbindendem. "Wenn ich nicht an Gott glauben würde, wäre ich nicht hier", sagt die Zehntkläßlerin, die wie ihre Freunde die katholische St.-Ansgar-Schule an der Hamburger Bürgerweide besucht. "Glauben", sagen sie alle, sei doch ganz normal. Erst im Juni haben die fünf Firmung gehabt - aus eigenem Antrieb, wie sie betonen. "Aber dann hat der Priester nur über Terrorismus geredet und daß Verhütung schlimm sei", sagt Julia. Da habe sie sich schon gefragt, was das mit ihnen zu tun habe. Auch deshalb sind sie hier.

"Es ist nicht unbedingt Frömmigkeit, was die Jugendlichen bewegt", meint Johannes Zehe, Jugendpfarrer des Erzbistums Hamburg. "Sie suchen das Gemeinschaftserlebnis, wollen sich in der Vielfalt als Christen sehen. Sie sind unterwegs unter dem Zeichen des Glaubens." Beten und Spaß haben, so faßt Julia zusammen, warum sie nach Köln gekommen ist. Daß auch der Papst kommt, ist ein zusätzlicher Reiz. Auch wenn seine Lehren nicht unbedingt ihre Zustimmung finden. "Ich finde, die sollten mal realistischer werden", sagt die wortstarke Schülerin unumwunden. Die anderen nicken. "Da hält sich ja doch keiner dran." Trotzdem ändere das nichts an ihrem Glauben. "Wir leben mit den Widersprüchen", meint Sarah nachdenklich.

Doch das ist zu Hause. In Köln ist es anders - eine Art glaubensmäßiger Ausnahmezustand. "Es sind so viele motivierte Leute hier", sagt Stefan. Das steckt an. Auch Sven (14) ist davon wie elektrisiert. "Ich bin Meßdiener", erzählt der Hamburger Schüler offenherzig, "aber dann sind einige Sachen schiefgelaufen zu Hause und in der Schule." Jetzt geht er auf ein Internat. "Ich hoffe, daß der Weltjugendtag mir hilft, den Sprung ins normale Leben zu schaffen." Es sind keine kleinen Erwartungen, mit denen die jungen Leute kommen. "Ich möchte Gott wieder etwas näher sein", sagt Dorota Trochimiak (24). Die polnische Studentin war vor vier Jahren schon auf dem Weltkirchentag in Rom. Sie meint: "Am besten findet man in der Stille zu Gott. Aber wenn viele miteinander beten und singen, ist das auch was sehr Schönes."

Auf dem Hofgarten in Bonn springt der Funke über. "Es war eine tolle Erfahrung, mit so vielen Leuten zusammenzusein", sagt Julia nach der Eröffnungsmesse mit Jugendbischof Franz-Josef Bode. Unzählige Fahnen. Viele Nationen. Zum Schluß brandet lauter Applaus auf. "Das war eine echte Feier", sagt Julia.