Erster: Mit 6000 neuen Lehrern und bis zu 30 Schulstunden mehr im Monat legt der Freistaat die Erfolgsbasis schon in der Grundschule.

Hamburg. Karl Freller kann sich den Vergleich nicht verkneifen. "Wir sind wie der FC Bayern wieder mal Deutscher Meister geworden und spielen selbstverständlich in der Champions League mit", sagt der Staatssekretär des bayerischen Ministeriums für Unterricht und Kultus. Der CSU-Politiker aus München kann sich solche Vergleiche leisten. Denn wie beim ersten Bundesländer-Vergleich im Rahmen des internationalen Schülerleistungstests Pisa 2001 stellen die 15jährigen aus Bayern auch jetzt wieder den Rest der Republik in den Disziplinen Lesekompetenz, Mathematik, Naturwissenschaften und Problemlösen weit in den Schatten.

Mehr noch: Die Süddeutschen können sich mit den Pisa-Siegerländern Finnland, Korea und Japan messen. Der Abstand zu den beiden nächstbesten Bundesländern Sachsen und Baden-Württemberg ist bereits respektabel. Gegenüber dem Schlußlicht Bremen beträgt der Leistungsvorsprung schon bis zu eineinhalb Schuljahre.

"Wir haben eben frühzeitig erkannt, daß jedes Kind unterschiedliche Fähigkeiten und Neigungen hat und unser Schulsystem konsequent daraufhin umgestaltet", führt der Staatssekretär gegenüber dem Abendblatt die Gründe an. Die bayerischen Grundschüler würden etwa mit 104 Stunden pro Monat bis zu 30 Stunden mehr Unterricht erhalten, als Pennäler anderer Bundesländer. "Dafür haben wir in den letzten Jahren 6000 zusätzliche Lehrer eingestellt und eine ständige Kontrolle bei Schulen und Lehrern eingeführt", sagt Freller.

In den letzten drei, vier Jahren haben aber auch die übrigen Bundesländer ihre Reformanstrengungen verstärkt. Mit Erfolg: Denn bei der neuen Pisa-Bundesländerstudie Pisa-E konnten sich die Schüler in allen Ländern verbessern. Die meisten Länder lägen jetzt im oder über dem internationalen Durchschnitt der Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), erklärte der deutsche Pisa-Koordinator Manfred Prenzel.

Die "schallende Ohrfeige für alle" nach dem verheerenden Abschneiden beim ersten Pisa-Test habe dies erst möglich gemacht, sagte der Bremer Bildungssenator Willi Lemke (SPD) dem Abendblatt. Auch Freller sieht im "Pisa-Schock", der das Land vor einigen Jahren durchfuhr, den Hauptgrund für die Fortschritte. "Das Bewußtsein für die Bedeutung von Bildung ist gewachsen", sagt er. "Das hat eine Eigendynamik in Gang gesetzt."

Bildungsexperten warnen die Politiker jedoch davor, sich schon jetzt allzu heftig gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. "Es ist eine Tendenz zur Besserung in Sicht. Mehr aber auch nicht", sagt der Direktor des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der Universität Dortmund, Wilfried Bos, dem Abendblatt. "Man hat jetzt bei den 15jährigen zwar einen guten Durchschnitt erreicht. Die deutschen Grundschüler haben bei der Studie zur Lesekompetenz vor einem Jahr jedoch deutlich überdurchschnittlich abgeschnitten. Das heißt, in den Schulstufen fünf bis zehn liegt einiges im Argen. Da muß gezielter fortgebildet werden."

Auch die Autoren der Pisa-E-Studie wiesen auf einige Wehrmutstropfen hin. Nach wie vor gibt es große Probleme bei der Lesekompetenz. Das hat vor allem mit dem Problem der Integration von Migrantenkindern zu tun.

In Bremen ist dieses Problem am größten. Der kleine Stadtstaat hat einen Ausländeranteil an Schulen von 40 Prozent. Die Integration klappt nicht gut. Lemke gibt zu, dafür im Moment auch keine Lösung zu haben. Bremen hat jedoch als erste Maßnahme einen Sprachtest vor der Einschulung eingeführt und eine Stunde mehr Deutsch an Grundschulen beschlossen.

Das andere große Problem ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungsniveau. In keinem anderen OECD-Land haben Kinder aus unteren Schichten schlechtere Chancen auf eine gute Ausbildung wie in Deutschland. Und immer noch verlassen zu viele 15jährige die Schule, ohne ausreichend gut lesen zu können.

Der Hamburger Bildungsforscher Bos empfiehlt deshalb, den Leseunterricht nicht wie bisher in der fünften Klasse zu beenden, sondern ihn in der sechsten und siebten Klasse weiterzuführen. "Das würde auch helfen, die Integration von Migrantenkindern zu verbessern."