Die streitbare Präsidentin des Vertriebenenbundes bringt Kanzlerin Merkel in die Bredouille. Showdown beim Matthiae-Mahl am Freitag in Hamburg.

Berlin. So eine politische Sprengkraft hatte das altehrwürdige Matthiae-Mahl im Hamburger Rathaus vielleicht noch nie in seiner Geschichte. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk sind am kommenden Freitag ausgerechnet zwei Politiker die Ehrengäste, die unverhofft zu Hauptakteuren des Streits um die Nominierung Erika Steinbachs für den Stiftungsrat im geplanten Zentrum gegen Vertreibungen avancierten.

Dem auf Ausgleich bedachten Tusk bläst in Polen der Wind hart ins Gesicht. Der nationalkonservative Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski wirft ihm vor, seine "weiche" Deutschland-Politik habe Polen "nichts Gutes" gebracht. Der gemeinsame Auftritt mit Merkel in der Hansestadt dürfte die Stimmung daheim kaum verbessern. Merkel steht nicht minder unter Druck. Lässt sie die Präsidentin des Vertriebenenverbandes unter Verweis auf die entsprechende Forderung ihres Koalitionspartners SPD fallen, obwohl sie völlig rechtmäßig nominiert wurde, brechen ihr in der CDU die letzten verbliebenen konservativen Bastionen weg - bei der Wahl kann das entscheidende Stimmen kosten. Kämpft sie andererseits zu offensichtlich für die streitbare Frau aus Frankfurt, die von den Polen nicht akzeptiert wird, dann könnten Linke, Grüne, FDP und last but not least die SPD das Thema noch stärker skandalisieren.

Erika Steinbach, die Frau, die mal wieder im Zentrum einer hoch emotionalen und schwierigen geschichtspolitisch aufgeladenen Debatte steht, ist sich dieser Problematik sehr bewusst. Sie bedauere es, dass die seit Langem geplante Festveranstaltung in Hamburg nun von dieser Auseinandersetzung überschattet wird, sagt sie. Aber die 65-jährige Politikerin, die als ihren Hauptcharakterzug die "Beständigkeit" nennt, denkt nicht daran, jetzt einen Rückzieher zu machen. Jetzt gerade nicht. Erika Steinbach zeigt - wieder einmal - ihr Kämpferherz. Und macht es der Kanzlerin damit nicht leichter, sich an ihre Seite zu stellen.

Denn die Hauptschuld an der eskalierenden Auseinandersetzung gibt sie, die oft differenziert, aber manchmal auch holzschnittartig argumentiert, ausschließlich den Sozialdemokraten: "Als wir mit den Vorbereitungen für das Zentrum begonnen haben, gab es in den ersten zwei Jahren keinen bösen Ton aus Polen. Aber deutsche Sozialdemokraten wie Wolfgang Thierse und Markus Meckel haben die Polen aufgehetzt", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. "Das Thema ist von deutschen Sozialdemokraten nach Polen getragen worden, den Menschen wurde eingeredet, in dem Zentrum solle die Geschichte auf den Kopf gestellt werden." Und ob sie recht hat oder nicht: Ihr anklagender Ton ist wohl einer der Gründe, warum deutsche Genossen und Polen allergisch auf Erika Steinbach reagieren.

Tatsächlich waren es polnische und sozialdemokratische Politiker, die jahrelang heftig gegen die von Steinbach beharrlich vorangetriebenen Pläne einer Gedenkstätte für die 60 Millionen Vertriebenen in Europa protestiert hatten. Weil sie versteckte Rachegelüste der Deutschen witterten, wo Solidarität mit allen Vertreibungsopfern im Mittelpunkt stehen sollte. Der Schriftsteller Ralph Giordano stellte sich 2004 auf die Seite Steinbachs, die selbst Flüchtlingskind ist. Und auch der inzwischen verstorbene SPD-Politiker Peter Glotz. Steinbach gewann in der Folge Unterstützer und Respekt, galt in Polen aber weiter als Inbegriff der "bösen Deutschen". Ein polnisches Magazin zeigte sie in einer furchtbaren Montage auf der Titelseite als Domina in SS-Uniform, die auf dem Rücken Gerhard Schröders reitet, obwohl sie den Vertriebenenverband auf den Kurs einer Verständigung mit Polen gesteuert hat.

Wer so etwas ertragen hat, der gibt auf der Zielgeraden nicht auf. Zumal sie die Aufregung um ihren Sitz im Stiftungsrat einkalkuliert hat: "Ich habe das erwartet, ich kenne die Protagonisten", sagt Steinbach dazu knapp. Deren Haltung habe ihren früheren Mitstreiter Peter Glotz "bis auf sein Totenbett verfolgt". Es ist typisch für die Frau, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, das Schicksal der Vertriebenen auch den Nicht-Vertriebenen nahezubringen, dass sie jetzt noch immer sagt: "Ich bin zuversichtlich, dass es zu einer guten Lösung kommt."