Karl-Theodor zu Guttenberg übte den Schulterschluss mit seinem Vorgänger. Kritik kam vom Wirtschaftsflügel der CDU - und Michael Glos attackierte Angela Merkel.

Berlin. Der Tag, an dem Karl-Theodor zu Guttenberg (37, CSU) zum neuen und jüngsten Bundeswirtschaftsminister der Bundesrepublik ernannt wird, beginnt für den Senkrechtstarter mit einem Frühstück in seiner noblen Familienvilla im Berliner Westend. Und mit schlechten Nachrichten aus dem Radio. Der Wirtschaftsflügel der CDU hat Zweifel an zu Guttenbergs Kompetenz angemeldet. Nicht nur Hinterbänkler, sondern auch der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Otto Bernhardt, hatten in der "Bild"-Zeitung die mangelnde wirtschaftspolitische Erfahrung des Neuen bemängelt, der sich im Bundestag vor allem mit außenpolitischen Fragestellungen befasst hat. Gleichzeitig macht der Mann, der mit seinem überraschenden Rücktrittsgesuch die Union in die Krise führte - und den er heute ablösen soll - noch einmal von sich reden: Michael Glos. Das war aus der Sitzung der CSU-Landesgruppe durchgesickert, an der auch zu Guttenberg am Vorabend teilgenommen hatte. Er beklagte sich über Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die habe ihn in der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht eingebunden und seinen Rat ignoriert, stattdessen mehr auf Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gehört. Wörtlich, so wird berichtet, soll er gesagt haben: "Sie hat immer geglaubt, ich hätte von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz aufschreiben lassen muss." Vor allem in der CDU sei der Eindruck vermittelt worden, er sei "zu dumm, einen Vermerk zu lesen". Und dann, als wäre das nicht genug, wird vermeldet, was Glos' Ehefrau Ilse der Zeitschrift "Bunte" in den Block diktiert hat: "Ich glaube, dass es die richtige Entscheidung ist." Sie habe sich "schon immer Sorgen gemacht", dass ihr Mann sich zu sehr aufreibe.

Kein optimaler Start für zu Guttenberg, der am Vormittag zunächst die Bundeskanzlerin zum vertraulichen Gespräch trifft. Und dann wird auch noch Kritik am Führungsstil von zu Guttenbergs größtem Förderer - eben Seehofer - laut, das Wort von der "Demokratur" machte die Runde.

Die Kanzlerin wohnt am frühen Nachmittag auch der förmlichen Amtsübergabe im Schloss Bellvue beim Bundespräsidenten bei. Als Horst Köhler zunächst Glos im Namen der Bundesrepublik für dessen Dienste dankt, quittiert sie das mit einem leicht versteinerten Gesichtsausdruck. Der hellt sich erst dann um eine Nuance auf, als Horst Köhler sich schließlich dem Nachfolger zuwendet, ihm eine "glückliche Hand" wünscht - und die Urkunde überreicht. Eine gute Viertelstunde verbringen die Gäste noch im Schloss, dann verlässt Merkel als Erste das Anwesen. Kurz darauf folgen Glos und zu Guttenberg - und der Nachfolger demonstriert vor den Fotografen unterm Regenschirm den Schulterschluss mit seinem offenbar tief verbitterten Vorgänger, dem er nach eigenen Worten "viel zu verdanken" hat. Beide lassen sich in einem Wagen zur Sitzung der CDU/CSU-Fraktion fahren. Auch dort sitzen sie nebeneinander. Als Fraktionschef Volker Kauder Glos' Leistungen würdigt, applaudieren die Abgeordneten so laut und andauernd, dass Teilnehmer nachher von einer "bemerkenswerten Begebenheit" sprechen.

Wenige Stunden später in der Bundespressekonferenz. Auftritt Horst Seehofer. Der bayerische Regierungschef ist mit seinem neuen Minister und dem gestern installierten Generalsekretärsduo Alexander Dobrindt und Dorothee Bär angereist, um die Personalrochaden als Erfolg zu vekaufen - und einige Dinge klarzustellen. Zunächst diesen "Demokratur"-Vorwurf. Von einer einsamen Personalentscheidung könne keine Rede sein, 16 Stunden lang habe er mit allen relevanten Personen die Nachfolge für Glos diskutiert, bricht es aus Seehofer heraus. Die Entscheidung sei "in engster Abstimmung mit der Kanzlerin" gefallen. Und er bleibe dabei, dass Michael Glos "für das Land und die Partei Großes geleistet" habe. Doch müsse es erlaubt sein, sich über Nachfolger Gedanken zu machen, wenn man wisse, dass ein Minister gehen will. Dessen Äußerungen in der Landesgruppe will er nicht kommentieren, nur so viel: Die Gründe für seinen Abtritt seien "komplexer". Er jedenfalls hätte sich als Bundesminister oft gewünscht, ein so gutes Verhältnis zur Kanzlerin zu haben wie Glos, merkt er schelmisch an. Und dann diese Kritik am neuen Minister! "Sehr kühn ist das, einem Neuen von vornherein die Kompetenzen abzusprechen", beklagt sich Seehofer. Und Karl-Theodor zu Guttenberg, der auch an diesem Abend wieder staatsmännisch auftritt, ergänzt mit einem Blitzen in den Augen: "Ich sehe das auch so."