Fall auf 27 Prozent: In Bremen scheint die Bürgerschaftswahl jetzt wieder offen. Meinungsforscher aber uneins über Trends.

Hamburg/Bremen. Wenn das keine Ironie ist: Da verbat sich Bremens Regierungschef Henning Scherf (SPD) ausdrücklich jeden Besuch seiner prominenten Parteifreunde aus Berlin im laufenden Bürgerschaftswahlkampf, um nur ja nicht Gefahr zu laufen, dass die schlechte Stimmung bundesweit den hanseatischen Genossen noch den sicheren Sieg am 25. Mai vermasselt. Gestern nun war Kanzler Gerhard Schröder (SPD) aber doch zu Gast in Bremen. Firmenbesuche standen an. Und schon scheint die Wahl wieder offen zu sein und gar Scherfs Stuhl gewaltig zu wackeln. Schuld an der unheilvollen Parallele ist eine neue Umfrage des Berliner Forsa-Instituts, die gestern die SPD bundesweit bei nur noch 27 Prozent sah. Die Union ist mit 48 Prozent weit enteilt. Der Grund für den Fall der SPD auf den niedrigsten Wert seit Anfang Februar: Die innerparteilichen Querelen um Schröders Reformpläne. Und diese Querelen würden nun auch auf Bremen abfärben. Wäre die Wahl schon jetzt, käme die SPD dort nur noch auf 37 Prozent, die CDU wäre mit 38 Prozent plötzlich stärkste Partei. Damit wäre Scherf aber auch zum Rücktritt gezwungen. Denn er hatte kategorisch erklärt, nur bei einer Neuauflage der seit 1995 regierenden großen Koalition unter Führung der SPD weiter im Amt bleiben zu wollen. Würde jedoch die CDU stärkste Partei, käme es so gut wie sicher zu einer von weiten Teilen der Bremer Sozialdemokraten favorisierten rot-grünen Koalition. Denn die Grünen stehen bei 14 Prozent, die FDP käme nicht ins Parlament. Detlev Albers, Chef der Bremer SPD, ist "hoch alarmiert" über die neue Situation. "Das ist die Bestätigung, dass viele die SPD zu früh schon zum sicheren Sieger erklärt haben", sagte er dem Abendblatt. Die Mobilisierung der SPD-Wähler sei jetzt erforderlich. "Wir werden den Mundfunk verstärken und in der kommenden Woche Zehntausende Hausbesuche machen." Auch CDU-Landeschef Bernd Neumann ist beunruhigt. Denn ihm kommt die Umfrage gar nicht gelegen. Weiß er doch, dass die weitere Regierungsbeteiligung seiner Partei einzig und allein vom Sieg Henning Scherfs abhängt, dem Garanten für eine neue große Koalition. In CDU-Parteikreisen heißt es, die Bremer CDU wolle deshalb alles, nur nicht diese Wahl gewinnen. Offiziell sagt Neumann dem Abendblatt dazu aber nur: "Wir stehen zum Bund mit der SPD, egal wie die Wahl ausgeht." So richtig glauben will Neumann die Forsa-Zahlen aber nicht. "In allen anderen Umfragen liegt die SPD ja weit vor uns." Erst am Sonntag präsentierte das Institut Infratest dimap ein völlig anderes Bild: Demnach kommt die SPD auf 42,5 Prozent, die CDU auf 34 Prozent, die Grünen auf 13 Prozent. Instituts-Chef Richard Hilmer hat für die abweichenden Zahlen von Forsa keine Erklärung, denn "selbst der Erhebungszeitraum war derselbe". Christdemokrat Neumann hat einen Verdacht: "Das war eine Hilfsumfrage zur Mobilisierung der SPD-Wähler." Forsa-Chef Manfred Güllner nennt den Vorwurf "abstrus". "Menschen, die nicht SPD wählen wollen, werden sich wohl kaum durch eine solche Umfrage umstimmen lassen." Allerdings fällt auch Güllner keine Erklärung für den großen Unterschied zu Infratest dimap ein. Sicher ist er sich aber in seiner Analyse, dass die SPD die Menschen enttäuscht hat und deshalb in den Umfragen so abgestürzt ist. "Die Bremer SPD kann sich von diesem Bundestrend nicht völlig abkapseln." Man traue der SPD derzeit einfach nicht zu, das Land wie erforderlich zu erneuern. Der Streit um Schröders Reform-Agenda habe das nur noch untermauert. "Deshalb kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie die Bremer SPD ihr Ergebnis von 1999 von 42,6 Prozent wiederholen will."