DGB-Spitze will heute Gegenkonzept zu Schröders Sparplänen vorlegen. Aber auch Kritik aus den eigenen Reihen.

Hamburg. Erst haben sie den Kanzler hängen lassen und jetzt machen sie offensiv Front gegen Gerhard Schröder - die Gewerkschaften wollen heute ein Gegenkonzept zur Reform-Agenda 2010 der Bundesregierung vorlegen. Darüber hinaus plant die IG Metall weitere bundesweite Protestaktionen. Doch innerhalb des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist die Front keineswegs geschlossen. Hubertus Schmoldt, Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) kritisiert offen das Verhalten einiger seiner Kollegen. In dem Gegenkonzept fordert die DGB-Spitze zusätzliche Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur. Vor allem soll die Kaufkraft der Bürger durch Steuersenkungen gestärkt werden. Kern der Forderungen ist die Aufforderung an die Bundesregierung, die Neuverschuldung in diesem Jahr um 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen, um die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Der Entwurf des DGB ist offensichtlich auch ein Versuch, die gegensätzlichen Positionen im Gewerkschaftslager einander anzunähern und den schwelenden Konflikt zu entschärfen. Die beiden größten Gewerkschaften, die IG Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wollen zur Agenda 2010 weiterhin harten Konfrontationskurs fahren. Schmoldt und seine IG BCE und andere kleinere Gewerkschaften liegen dagegen eher auf der Linie Schröders. "Ich finde es vor allem bedauerlich, dass die Agenda von einigen Gewerkschaftern nur auf wenige Punkte reduziert wird. Wir wollen jedenfalls mithelfen, dass Deutschland reformfähig bleibt", sagte Schmoldt gestern zum Hamburger Abendblatt. Zuvor hatte er in Berlin kritisiert, dass ein Treffen zwischen Schröder und dem SPD-Gewerkschaftsrat am Dienstag wegen der Meinungsverschiedenheiten im DGB kurzfristig geplatzt war. "Wir riskieren Sprachlosigkeit. Und das wäre das Schlimmste, was in diesem Land passieren kann", sagte Schmoldt. Offenbar waren IG Metall-Chef Klaus Zwickel und der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske von vornherein entschlossen gewesen, die Sitzung des Gewerkschaftrats platzen zu lassen. DGB-Chef Michael Sommer blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls abzusagen, denn die Alternative wäre gewesen, dass er gemeinsam mit den Vorsitzenden der kleineren Gewerkschaften zum Treffen angereist wäre und damit die Chefs seiner beiden mitgliederstärksten Verbände brüskiert hätte. Hubertus Schmoldt wies zurück, dass in Kreisen der Sozialdemokraten Ver.di-Chef Bsirske als Buhmann ausersehen worden ist, weil der Mitglied der Grünen sei: "Das wäre nicht zielführend. Was die Absage angeht bleibt festzuhalten, dass Zwickel auch dabei war. Und der ist Sozialdemokrat." Schmoldt weist Brüche innerhalb des DGB weit von sich: "Wir sind ein munterer Verein. Es hat immer unterschiedliche Positionen im DGB gegeben. Nein, das ist keine Spaltung. Wir gehen mit der IG BCE auch keinen Sonderweg." Tatsächlich zeigte er sich aber einen Tag nach dem Eklat um das geplatzte Treffen gestern demonstrativ mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Er kritisierte auch IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel, der davon gesprochen hatte, Schröder sei politisch in Gefahr. "Wenn es schief gehen sollte, ist Schröder selbst schuld", sagte auch Zwickel. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, ist dagegen der Ansicht, dass sich die Gewerkschaften mit ihrer Absage des Treffens keinen Dienst erwiesen haben. "Man könnte auch sagen, wir haben ein Eigentor geschossen. Es steht eins zu null für den Kanzler", sagte Möllenberg der "Augsburger Allgemeinen".