Keine Schonfrist im Nahost-Konflikt. Zwei Tage nach der Wiederwahl melden sich die Palästinenser: Sie fordern die Anerkennung ihres Staates.

Ramallah/New York Die Palästinenser machen ernst mit ihrer Forderung nach Anerkennung ihrer Staatlichkeit durch die Vereinten Nationen. Für Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ist der jetzt als Entwurf vorgelegte Antrag zur Aufwertung des UN-Status zu dem eines Nicht-Mitglied-Staates eine Flucht nach vorn.

Hinter ihm liegen Jahre der Frustration über den totalen Stillstand beim Streben nach einem eigenen Staat, der zu Beginn des Oslo-Friedensprozesses Anfang der 1990er Jahre noch zum Greifen nahe schien. Aber die israelische Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat es sich im Status quo bequem gemacht und misstraut selbst versöhnlichen Worten von Abbas.

Dem 77-jährigen Palästinenserpräsidenten aber läuft die Zeit davon. In der Bevölkerung brodelt es. Wenn zu den sozialen Problemen auch noch das Eingeständnis käme, dass es vorerst nichts wird mit einem eigenen Staat, könnte sich die Enttäuschung in neuer Gewalt entladen, einer dritten Intifada gar.

Da macht es Sinn, dass die Palästinensische Autonomiebehörde angeboten haben soll, mit der formellen Einbringung des Antrages in die UN-Vollversammlung noch zu warten, wenn US-Präsident Barack Obama im Gegenzug ein klares Ziel für die Wiederaufnahme der seit Oktober

2010 unterbrochenen Friedensverhandlungen zwischen Palästinensern und Israel setzen würde.

Dies aber zu den Bedingungen von Abbas. Demnach sollen die Grenzen von 1967 Ausgangspunkt der Verhandlungen sein und der arabische Ostteil von Jerusalem Hauptstadt der Palästinenser werden. Netanjahu lehnt das ab.

Dem im Amt bestätigten Obama fällt damit ein Konflikt auf die Füße, in dem er schon während der ersten vier Amtsjahre nicht einen Millimeter vorangekommen ist. Im Gegenteil: Israel baut weiter fleißig seine Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem aus. Das löst nicht nur Proteste bei den Palästinensern und in der arabischen Welt aus. Bei jeder neuen Baugenehmigung handelt sich Jerusalem auch Schelte von engsten Verbündeten wie den USA, Deutschland, Frankreich oder Großbritannien ein. Aber eben auch nicht mehr.

Ob ein von der Sorge um die Wiederwahl befreiter Obama jetzt mehr Druck auf Israel ausüben wird, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, bleibt abzuwarten. Netanjahu könnte sich Gegenwind aus Washington sogar für die eigene Wiederwahl am 22. Januar zunutze machen. Sollte Obama im Umgang mit Israel die Samthandschuhe ablegen, würde das den Verdacht vieler Israelis nähren, alle Welt sei gegen sie. Netanjahu könnte sich dann als Fels in der Brandung präsentieren, der als einziger die wahren Interessen des kleinen Landes gegen die vielen Feinde verteidigt.

Falls Abbas die Abstimmung über die Statusaufwertung in der UN-Vollversammlung erzwingen sollte, wäre ihm eine Mehrheit der Mitglieder zwar sicher. Allerdings hat Israel schon mal die Strafmaßnahmen vorgezeigt: Es könnte der ohnehin schon strauchelnden Palästinensischen Autonomiebehörde den Geldhahn zudrehen, den Siedlungsbau forcieren und bisher auch nach israelischem Recht illegale Siedlungen nachträglich genehmigen.