Die Abendblatt-Redakteure Vanessa Seifert und Nina Paulsen berichten aus New York und Berlin und erzählen Geschichten abseits der Zahlen.

New York/Berlin. Die Welt schaut gebannt nach Amerika und vor allem auf die Stimmergebnisse. Abendblatt.de berichtet über die Geschichten abseits der Zahlen. Wie ist die Stimmung auf den Straßen New Yorks, was passiert bei der offiziellen Wahlparty in Berlin?

+++Alles zur US-Wahl+++

23.16 Uhr Ortszeit New York: New York jubelt: Nachdem die Fernsehsender CNN und Fox News Barack Obama zum Sieg der Präsidentwahlen vom Dienstag erklärt hatten, brandeten Applaus und Jubelgeschrei am Times Square auf. Im Herzen Manhattans hatten sich Hunderte Menschen versammelt, um den Ausgang der Wahl zu verfolgen, mehrheitlich Anhänger von Obama.

22.00 Uhr Ortszeit New York: Das Empire State Building in New York leuchtet zurzeit mehr rot als blau. Ein Leuchtbarometer zeigt den Stand der Auszählung der Präsidentschaftswahl an. Rot für die Republikaner, blau für die Demokraten. 162 zu 157 steht es aktuell für den Herausforderer der Republikaner, Mitt Romney. Insgesamt braucht der Sieger 270 Wahlmännerstimmen. In New York rechnen alle mit einer langen Wahlnacht.

3.55 Uhr Ortszeit Frankfurt: Übrigens nicht die einzige Wahlparty in Deutschland. Hunderte US-Amerikaner haben in der Nacht zum Mittwoch in Frankfurt dem Wahlausgang in den Vereinigten Staaten entgegengefiebert. Im English Theatre verfolgten die Gäste des US-Generalkonsulats die Stimmenauszählung auf einer Großbildleinwand. Ähnlich wie in Berlin verbreiten Girlanden und Luftballons in blau und rot Wahlkampfstimmung. Nach den ersten Ergebnissen aus den Ostküsten-Staaten nutzten einige Gäste die bequemen Sessel in der Lobby für einen kurzen Schlaf, um Kraft für die Verkündung der Resultate zu sammeln. Der Rest der Besucher half sich mit Brownies und jeder Menge Tee und Kaffee durch die lange Wahlnacht. Polizisten sicherten das Gebäude in der Frankfurter Innenstadt.

3.45 Uhr Ortszeit Berlin: Knapp 50 Leute sind noch auf der Berliner Wahlparty, die Band hat aufgehört zu spielen, die Burger sind aus. Wer will, kann sich die Reste vom Buffett aber stilecht im Doggybag mit nach Hause nehmen. Auch ntv hat seinen Sendebetrieb von hier längst eingestellt. Die Masseure haben Feierabend gemacht. Es sind nur noch eingefleischte US-Fans und Amerikaner, die jetzt noch ausharren. Manche sind jetzt schon seit guten neun Stunden hier. „Ich dachte, ich kann um drei nach Hause fahren”, seufzt eine junge Frau, die vor der Großbildleinwand sitzt. Was in den USA ein spannendes Rennen ist, beginnt in Berlin zu einer zähen Angelegenheit zu werden.

2.26 Uhr Ortszeit Berlin: Um kurz nach halb zwei ist das Glas mit den Obama-Buttons leer. Während das Glas mit den Romney-Buttons noch immer halb voll ist, ist kein Anstecker mit dem Foto des amtierenden US-Präsidenten mehr zu haben. Die Präferenz der Gäste der Wahlparty in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz ist also klar: Dürften sie wählen, wäre Barack Obama weiterhin Präsident, das ergibt auch die Probeabstimmung vor Ort. Doch die Realität sieht zum Unmut vieler anders aus. „Ein Kopf-an-Kopf-Rennen” erwarten alle, die man hier fragt, etwa auch der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Müller-Sönksen. An seinem Jackett: Ein Romney-Button. Ein politisches Statement ist das allerdings nicht. „Sonst sind hier ja alle für Obama, also bin ich jetzt mal für die Minderheit”, erklärt er mit einem Augenzwinkern.

Rund 500 Besucher waren zum Auftakt der Party gekommen, um halb drei in der Nacht stehen nur noch einzelne an den Bistrotischen und gucken auf die großen Leinwände. Kollektiven Jubel gibt es nicht, auch kein kollektives Fiebern. Dafür ist die Lage in den USA noch zu unübersichtlich.

Noch immer wird aber neues Essen zubereitet und aufgetischt, es gibt Burger, Bagels, Wraps, HotDogs, Chilli-Chese-Jalapenos und Donuts. Ein kleines Klischee-Amerika haben sie hier aufgebaut, auch über die Dekoration. Es gibt rote, blaue und weiße Luftballons, die Hostessen tragen kleine rot-blau-weiße Glitzerzylinder auf dem Kopf, zwei junge Männer mit Obama- und Romney-Maske lassen sich mit den Gästen fotografieren. Weil der Abend noch lang wird, servieren die Kellner mittlerweile auf Kaffee. Und einige Masseure haben sich unter die Gäste gemischt, die auf Wunsch Nacken und Schultern durchkneten. Von den Prominenten, die am frühen Abend noch zahlreich vertreten waren, ist mittlerweile keiner mehr da. Es ist nur ein kleiner Kern, der hier bis in die frühen Morgenstunden ausharren wird.

19.07 Uhr Ortszeit New York: In der liberalen Ostküsten-Metropole New York City schlägt das Herz traditionell für die Demokraten. „Obama, he is the man”, findet auch Taxifahrer Godfred „from Ghana”, während er in seinem Yellow Cab durch die Straßenschluchten donnert. Godfred, der erzählerisch noch einen Schlenker zu seinen Cousinen in Eidelstedt (”Hamburg, great place!”) einbaut, ist vor elf Jahren aus Afrika nach Amerika gekommen. Seit kurzem erst ist er US-Staatsbürger und darf deshalb zum ersten Mal wählen. Seine Stimme hat er Obama gegeben - schon ganz früh. Einer der „Early Voter”, niemand, der sich in letzter Sekunde entscheidet.

Obama zeige, dass das Versprechen des American Dream auch heute noch wahr werden könne, meint Godfred. Aus dem Armenviertel von Chicago ins White House. Wer das schafft, kann die Welt regieren. Oder jedenfalls Amerika. „Er muss einfach im Amt bleiben. Er kennt die Sorgen der kleinen Leute.”

Wie nach „Supersturm Sandy”, der Teile von New York schwer verwüstet hat. Hunderttausende sind nach wie vor ohne Strom. Tausende sogar ohne Zuhause. Eine Katastrophe, da sind sich die politischen Kommentatoren einig, spielt meist dem Amtsinhaber in die Karten - er kann sich präsentieren als Macher, als Krisenmanager, als besorgter, aber besonnener Stratege - war Sandy der Matchpoint für Obama?

Fest steht: Das Rennen ums Weiße Haus ist spannend und eng wie lange nicht. Viele Amerikaner, die vor vier Jahren noch begeistert für Obama gestimmt haben, entschieden sich in diesem Jahr für die Republikaner und Herausforderer Mitt Romney. „Die Erwartungen an Obama waren riesig, er war so was wie der politische Messias”, sagt eine Kollegin von der New York Times. Viele seien enttäuscht - insbesondere ob der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. „Jobs, Jobs, Jobs - darum ging es vor allem bei dieser Wahl.”

19.30 Uhr Ortszeit Berlin: Es geht los, Start der offiziellen Wahlkampfparty von CNN, ntv, RTL, der American Academy und der Amerikanischen Botschaft in der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden 1 in Berlin-Mitte. Doch um diese Zeit ist der größte Höhepunkt noch die Donuts. Ein ganzes Regal hat ein Sponsor aufgestellt, darunter Sorten mit so klingenden Namen wie „Rubin Deluxe” oder „Double Choc Donut”. Fast keiner der rund 200 Gäste in der schicken Bertelsmann-Repräsentanz in Berlin-Mitte kann daran vorbei gehen, ohe zuzugreifen oder zumindest große Augen zu machen. Überhaupt: Das ganze Catering fällt amerikanisch aus: Es gibt Käse-Jalapenos, Hot-Dogs und Eis der amerikanischen Kultmarke Ben and Jerrys. „Amerika wählt” heißt das Motto dieser Wahlparty, die Deko ist entsprechend komplett in rot-weiß-blau. Ein paar Promis haben sich eingefunden: Supertalent- und Topmodel-Juror Bruce Darnell, Moderator Cherno Jobatey oder Ex-Boxer Axel Schulz. Auf den Fernsehern und Leinwänden ist der Ton der Nachrichtensendungen noch abgestellt, spannend wird es erst später. Fragt man die Gäste nach ihrem Tipp, wer es die Wahl gewinnen wird, ist die Tendenz knapp: Knapp für Herausforderer Mitt Romney.