Romney zu Blitzbesuchen in Ohio und Pennsylvania eingetroffen – Obama verbringt Tag in Heimatstadt Chicago. Wahl in vollem Gange.

Washington. Nach monatelangem hitzigen Wahlkampf hatten am Dienstag in den USA die Wähler das letzte Wort: In einem wahren Krimi mit offenem Ausgang entschieden sie über den nächsten Präsidenten. Während Amtsinhaber Barack Obama bei seiner letzten Ansprache vor der Abstimmung Emotionen zeigt, standen für seinen republikanischen Rivalen Mitt Romney noch am Dienstag Blitzbesuche in umkämpften Staaten an. Umfragen sahen beide auch unmittelbar vor dem weltweit mit Hochspannung verfolgten Urnengang Kopf-an-Kopf.

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Ergebnisse wurden in der Nacht zum Mittwoch erwartet. Als entscheidend galten die Resultate in neun US-Staaten, in denen der Sieger nur schwer vorherzusagen war. Mit am wichtigsten dabei: Der Wahlausgang in Ohio im Mittleren Westen.

Den ersten Sieg konnte Obama gleich nach Öffnung der ersten Wahllokale in zwei kleinen Ortschaften im Staat New Hampshire einstreichen, die traditionell die Stimmabgabe eröffnen. In Hart’s Location gewann der demokratische Amtsinhaber kurz nach Mitternacht (Ortszeit) mit 23 Stimmen, für seinen Herausforderer Mitt Romney von den Republikanern votierten neun Bürger. In Dixville Notch spiegelte sich mit einem Patt von fünf zu fünf Stimmen das bundesweit erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen wider.

Der Präsident konnte bei seiner letzten Wahlkampfrede in Des Moines (Iowa) seine Gefühle nicht verbergen. Obama wischte sich eine Träne aus dem Auge, als er vor 20 000 Anhängern erklärte: „Ich bin mit der Bitte zurückgekehrt, das zu Ende zu bringen, was wir begonnen haben, weil hier unsere Bewegung für den Wandel ihren Anfang nahm.“ Obama hatte 2008 die erste Vorwahl der Demokraten für sich entschieden und damit den Grundstein für seinen Wahlerfolg gelegt.

Herausforderer Romney, der jüngsten Umfragen zufolge in wichtigen Swing States leicht zurückliegt, entschied sich für Wahlkampf bis zur letzten Minute. Nach Auftritten in Ohio und Pennsylvania wollte er daheim in Boston die Ergebnisse abwarten. Bei einer Veranstaltung in New Hampshire am Vorabend attackierte er nochmals Obamas Wirtschaftspolitik und versprach den Wählern, den Wandel zu bringen, den der Amtsinhaber nicht zustande gebracht habe.

Obama zur Wahl daheim in Chicago

Obama verzichtete unterdessen am Wahltag auf weitere Auftritte: Er wollte nach Angaben einer Sprecherin den Dienstag in seiner Heimatstadt Chicago verbringen und sich in Fernseh- und Radiointerviews an die noch unentschiedenen Bürger wenden. Außerdem wollte er seinem Wahltagsritual folgen und mit Freunden und engen Beratern Basketball spielen. Ein einziges Mal verzichtete er auf die Tradition – und verlor 2008 prompt die Vorwahl in New Hampshire. „Diesen Fehler werden wir nicht noch einmal machen“, sagte sein Berater Robert Gibbs.

Romney und seine Frau Ann gab ihre Stimme am Morgen in der Nähe ihres Heimatorts Belmont im Staat Massachusetts ab. Auf die Frage, wen er gewählt habe, antwortete er: „Ich glaube, Sie wissen das.“

US-Vizepräsident Joe Biden gab gemeinsam mit seiner Ehefrau Jill in Greenville im US-Staat Delaware seine Stimme ab. Jede Wahl sei immer noch spannend, sagte der Politikveteran. Es sei das achte Mal, dass er bei landesweiten Wahlen antrete.

Nach Berechnungen des Center for Responsive Politics dürfte das Werben um Stimmen bei der Präsidenten- und Kongresswahlen so kostspielig gewesen sein wie nie zuvor: Mit 5,8 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) verschlang der Wahlkampf sieben Prozent mehr als noch vor vier Jahren.

Obama selbst hat bereits gewählt. Wie er machten über 30 Millionen Bürger in den letzten Wochen von der Möglichkeit der Briefwahl oder der vorgezogenen Stimmabgabe Gebrauch; ausgezählt wird aber erst am Wahltag. In den USA entscheidet nicht die Gesamtzahl der für einen Kandidaten landesweit abgegebenen Stimmen über den Einzug ins Weiße Haus, sondern der Gewinn von jedem der 50 Staaten zugeordneten Wahlmännerstimmen, mindestens 270. Das System kann zu widersprüchlichen Ergebnissen führen wie 2000, als der Demokrat Al Gore zwar US-weit die meisten Wählerstimmen bekam, der Republikaner George W. Bush aber mit der Mehrheit der Wahlmänner Präsident wurde.

„Wahl zwischen zwei Visionen“

Am Dienstag stand zudem die Wahl aller 435 Sitze im Repräsentantenhaus, eines Drittels (33 Sitze) im Senat sowie von elf Gouverneuren an. Es wurde erwartet, dass die Demokraten ihre knappe Mehrheit im Senat verteidigen und das Repräsentantenhaus wieder von den Republikanern dominiert wird. Diese Konstellation lässt erwarten, dass es das Weiße Haus auch in der nächsten Legislaturperiode schwer haben wird, in einem vom Parteienstreit blockierten Kongress etwas durchzusetzen.

Obama und Romney lagen in letzten Umfragen vor dem Wahltag Kopf an Kopf, mit knappen Vorsprung für Obama. Besonders umkämpft waren bei dieser Wahl Ohio, Florida, Colorado, New Hampshire, Virginia, Wisconsin, Iowa und Nevada. In den Swing States versuchten beide Kandidaten im Endspurt am Montag noch einmal, Wähler von ihren zentralen Botschaften zu überzeugen. „Das ist nicht nur eine Wahl zwischen zwei Kandidaten oder zwei Parteien“, erklärte Obama in Wisconsin auf einer Kundgebung. „Es ist eine Wahl zwischen zwei Visionen.“ Obama will das riesige Staatsdefizit reduzieren, indem er über höhere Steuern die Wohlhabenden zu einem „fairen Anteil“ heranzieht. Romney konterte in Virginia: „Der Präsident denkt, mehr Regierung (und Bürokratie) ist die Antwort. Mehr Arbeitsplätze sind die Antwort, Amerika!“

Supersturm „Sandy“ könnte Auszählung der Stimmen verzögern

Der Wahlkampf wurde angesichts einer Arbeitslosenquote von 7,9 Prozent von Wirtschaftsthemen dominiert. Aber auch die Sturmkatastrophe an der US-Ostküste könnte noch eine Rolle spielen. Wegen des Hurrikans „Sandy“, der vergangene Woche über die Ostküste hinwegzog, könnte es in wenigen Wahlkreisen zu Verzögerungen bei der Auszählung kommen. Als Grund wurde angegeben, dass die Frist für die Auszählung der Briefwahlstimmen verlängert wurde. In New Jersey sollten Sturmopfer ihre Stimmen auch per E-Mail abgeben können, wie es auch Soldaten und US-Bürger im Ausland tun können.