Anders als in Tunesien und Ägypten gibt es in Libyen keine klar erkennbare Opposition. Deutschland will sich mit humanitärer Hilfe engagieren.

Brüssel. Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi kämpft weiterhin mit aller Gewalt um seine Macht - aber der Westen plant schon ohne ihn. Gestern berieten die Außenminister und weitere Politiker aus 40 Ländern in London über den politischen Wiederaufbau Libyens. Neben Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und US-Außenministerin Hillary Rodham Clinton nahmen auch Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon, Nato-Chef Anders Fogh Rasmussen und Vertreter der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union an dem Treffen der sogenannten Libyen-Kontaktgruppe teil.

Großbritanniens Premierminister David Cameron und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten bereits unmittelbar vor dem Treffen in einer gemeinsamen Erklärung einen "Neuanfang" für Libyen gefordert.

Einig sind sich die Bündnisstaaten, dass dieser "Neuanfang" nur ohne Gaddafi stattfinden kann. Außerdem müsse die "territoriale Integrität" des Landes gewahrt bleiben, einen Zerfall in "Stammesgebiete" will niemand.

Anders als in Tunesien und Ägypten gibt es in Libyen keine klar erkennbare Opposition. Es fehlt ein Gesicht, eine eindeutige politische Linie, und die künftige Bedeutung der Stämme ist zudem unklar. Das macht es so schwer für die internationale Gemeinschaft. Man weiß derzeit nicht genau, wen man unterstützen soll und wer was in Libyen will. Der Wandel soll aber auf jeden Fall "von Libyern für Libyen erfolgen", hieß es in Diplomatenkreisen. Laut US-Angaben soll bald ein US-Vertreter in die Rebellenhochburg Bengasi reisen, um einen "systematischen" Kontakt mit den Aufständischen herzustellen.

Westerwelle sagte, Deutschland sei bereit, "sich insbesondere zu engagieren, wenn es um humanitäre Hilfe geht". Aus deutschen Delegationskreisen hieß es, der Rat wolle "einen politischen Prozess mit dem Ziel, dass Gaddafi das Land verlässt - und dann möglichst schnelle Wahlen". Manche Staaten plädieren dafür, Gaddafi ins Exil zu schicken.

Aber noch ist der libysche Staatschef nicht geschlagen. Gestern mussten die Aufständischen nach tagelangem Vorrücken erstmals wieder Terrain aufgeben. Sie zogen sich nach starkem Artilleriebeschuss auf Positionen rund 100 Kilometer vor der Gaddafi-Hochburg Sirte zurück. In der drittgrößten Stadt Libyens, Misrata, toben weiterhin heftige Kämpfe.

Unterdessen verteidigte US-Präsident Barack Obama in einer Rede an die Nation den Militäreinsatz. Es war seine erste Rede seit Beginn der Luftangriffe internationaler Streitkräfte. "Wenn unsere Interessen und Werte auf dem Spiel stehen, haben wir eine Verantwortung zu handeln", sagte Obama. In Libyen habe "Gewalt von entsetzlichem Ausmaß" gedroht. Der Präsident betonte zugleich, die Rolle der US-Armee sei begrenzt. Bodentruppen würden nicht entsendet.