Auf der London-Konferenz gab es erste Kontakte zur libyschen Opposition. Aufständische aus Bin Dschawwad vertrieben. Die Ereignisse im Überblick.

London/Washington/Tripolis. Eine internationale Kontaktgruppe soll sich künftig um den Aufbau einer politischen Ordnung in Libyen kümmern. Das wurde auf der Internationalen Libyen-Konferenz am Dienstag in London beschlossen. An der Konferenz hatten sich rund 40 Nationen und internationale Organisationen wie Vereinte Nationen, Nato, Arabische Liga und Afrikanische Union beteiligt.

Großbritanniens Außenminister William Hague machte deutlich, dass die Durchsetzung der UN-Resolution 1973 mit der Überwachung einer Flugverbotszone über Libyen und dem Schutz der Zivilbevölkerung weiterhin absoluten Vorrang habe. Unter UN-Koordination soll die humanitäre Hilfe für Libyen vorangetrieben werden.

Die Kontaktgruppe, über deren Mitglieder Hague keine genauen Angaben machten, soll die internationalen Anstrengungen für ein demokratisches Libyen nach Machthaber Muammar al-Gaddafi bündeln, hieß es in einer vom britischen Außenminister verlesenen Abschlusserklärung. Der Ölstaat Katar habe sich bereiterklärt, das erste Treffen der Kontaktgruppe sobald wie möglich zu organisieren.

Danach soll der Vorsitz der Gruppe, die in enger Abstimmung mit UN, Arabischer Liga, Afrikanischer Union, EU und der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) arbeiten sollen, unter „Ländern der Region und darüber hinaus“ rotieren.

Rebellen geben Bin Dschawwad auf

Unterdessen haben die Aufständischen in Libyen nach Angriffen von Gaddafis Truppen die Stadt Bin Dschawwad aufgegeben. Die Regime-Streitkräfte attackierten daraufhin die 60 Kilometer östlich gelegene Ölraffineriestadt Ras Lanuf, berichtete eine Reporterin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira.

Die Aufständischen seien zuvor in langen Autokolonnen aus Bin Dschawwad geflohen. Kommandeure der Rebellen klagten darüber, dass viele Rebellen nicht willens seien, sich einer militärischen Befehlsstruktur unterzuordnen, sagte die Al-Dschasira-Reporterin.

Die Pro-Gaddafi-Verbände hatten am Vortag einen Vorstoß der Rebellen auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte aufgehalten. Die militärisch unterlegenen und unzureichend organisierten Aufständischen hatten am Sonntag unter der Deckung alliierter Luftangriffe Bin Dschawwad eingenommen. Der Ort an der Mittelmeerküste liegt 400 Kilometer westlich von Bengasi, der Metropole der Regimegegner.

US-Kampfflugzeug greift Schiff an

Nach schweren Artillerie- und Raketenbeschuss eroberten Soldaten Gaddafis am Dienstag auch den kleinen Ort Naufalija zurück. Damit wurde der Vorstoß der Rebellen auf die 120 Kilometer weiter westlich gelegene, strategisch und symbolisch wichtige Küstenstadt Sirte gestoppt. Sirte ist die Geburtsstadt Gaddafis.

Nach einigen Berichten sollen auch Bewohner von Gaddafis Heimatstadt an der Seite der Soldaten gegen die Aufständischen gekämpft haben. Dadurch würden Hoffnungen westlicher Staaten getrübt, immer mehr Menschen würden sich dem Aufstand anschließen und damit für einen schnellen Zusammenbruch der Regierung sorgen.

Ein US-Kampfflugzeug hat derweil ein Schiff der libyschen Küstenwacht angegriffen, das Raketen auf Schiffe im Hafen von Misrata abgeschossen hatte. In einer Erklärung des Kommandos der Operation „Odyssey Dawn“ hieß es, ein Patrouillenflugzeug der US-Marine habe die „Vittoria“ am Montagabend beschossen. Das Schiff sei danach an Land gefahren. Ein Flugzeug der US-Luftwaffe griff zudem zwei kleinere libysche Schiffe an. Eines wurde zerstört, das andere von der Besatzung aufgegeben.

Obama schließt Einsatz wie im Irakkrieg aus

Ohne Luftunterstützung scheinen die Rebellen nicht in der Lage zu sein, ihre Stellungen zu halten oder Geländegewinne zu machen. Nach Ansicht von Beobachtern wird sich bei der Schlacht im Sirte entscheiden, ob die Rebellen zu weiteren Vorstößen in Richtung Tripolis, dem Machtzentrum Gaddafis, in der Lage sind. Nach Ansicht von US-Vizeadmiral Bill Gortney haben die Rebellen in den vergangenen Tagen nur wenige Erfolge erzielt. Die Oppositionellen seien nicht stark, sagte er in Washington.

US-Präsident Barack Obama bekräftigte im Vorfeld der Londoner Außenministerkonferenz, US-Truppen würden das Land nicht besetzen. Ein Einsatz von Bodentruppen wie im Irak-Krieg sei ausgeschlossen. Am Montag hatte sich Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und dem britischen Premierminister David Cameron in einer Videoschaltkonferenz über die Ziele der Konferenz beraten. Obama sagte, es habe sich eine einzigartige Gelegenheit geboten, fürchterliche Gewalt zu verhindern. Die amerikanischen Soldaten seien ausdrücklich nicht im Einsatz, um Machthaber Gaddafi mit Gewalt abzusetzen, betonte Obama.

Libysche Opposition sitzt nicht am Verhandlungstisch

Die libysche Opposition nimmt nach britischen Regierungsangaben nicht am offiziellen Teil der Konferenz in London teil. Der britische Außenminister William Hague traf sich aber vor der Konferenz mit dem Sondergesandten des Nationalen Übergangsrates, Mahmud Dschibril . Die Vertreter des Gremiums, hinter dem sich die Anti-Gaddafi-Opposition sammelt und das sich selbst als Übergangsregierung Libyens sieht, werden laut Hague nicht an den offiziellen Verhandlungen beteiligt. Hague forderte Machthaber Muammar Gaddafi erneut zum Rückzug auf. Der britische Außenminister deutete jedoch an, dass Großbritannien sich nicht an der Suche nach einem möglichen Exilland für Gaddafi beteiligen werde.

Spaniens Außenministerin Trinidad Jiménez sagte der Zeitung „El País“, es gebe bislang weder eine formale Anklage noch einen Haftbefehl gegen Gaddafi. Es sei daher „rechtlich möglich“, Gaddafi eine Zuflucht im Ausland zu ermöglichen.


Flüchtlinge landen in Italien

Erstmals seit Ausbruch der Gewalt in Libyen sind Flüchtlinge von der Küste des nordafrikanischen Landes aus nach Europa gelangt. Insgesamt 2000 Menschen hätten mit Booten Italien und Malta erreicht, teilte das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf mit. Sie stammten unter anderem aus Somalia, Eritrea, Äthiopien und dem Sudan. Libyer seien keine dabei. Bis dahin hatten die Flüchtlinge das Land vor allem über die Nachbarländer Ägypten und Tunesien verlassen.

Die Boote seien von Libyens Hauptstadt Tripolis gestartet. Fünf Boote mit knapp 1500 Menschen hätten die italienischen Inseln Lampedusa, Linosa sowie Sizilien erreicht, zwei Boote mit mehr als 500 Menschen seien in Malta eingelaufen. Unter den Passagieren befanden sich dem UNHCR zufolge viele Frauen und Kinder.

Seit Beginn der Gewalt im Februar flohen demnach mehr als 380.000 Menschen aus Libyen, die meisten von ihnen auf dem Landweg. Dabei sind es zumeist Gastarbeiter, die in Libyen beschäftigt waren.

Westerwelle trifft libyschen Oppositionsführer Dschibril

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat bei einem Treffen in London der libyschen Opposition Hilfe bei einer politischen Neuordnung des Landes und beim Wiederaufbau nach Ende der Militäroperation angeboten. Berlin sei zu humanitärer Hilfe bereit, sagte Westerwelle. Vor Beginn der Konferenz hatte er sich mit dem Vorsitzenden des Übergangsrates, Mahmud Dschibril , getroffen. Dass Deutschland sich nicht militärisch an dem Einsatz beteilige, bedeute nicht, dass die Bundesrepublik neutral sei. Man setze auf einen politischen Prozess und eine politische Lösung.

Deutschland hat auch schärfere Sanktionen gegen Libyen im Uno-Sicherheitsrat gefordert. Die erweiterten Regeln müssten ein umfassendes Öl- und Gasembargo beinhalten, sagte der deutsche Vize-Botschafter Miguel Berger nach Angaben westlicher Diplomaten in der geschlossenen Sitzung des Sicherheitsrates. Bei der Abstimmung über die letzte Resolution, die auch Luftschläge zulässt, hatte sich Deutschland als einziges westliches Land enthalten.

Mit Material von dpa, epd, AFP und Reuters