Präsident Hamid Karsai ist der Favorit. Doch der einstige Hoffnungsträger hat seinen Kredit verspielt. 36 Kandidaten treten zur Wahl an, darunter zwei Frauen. Und die Taliban drohen den Wählern mit Terror.

Kabul/Hamburg. Fünf Jahre ist es her, dass die Schlangen vor den Wahllokalen in Afghanistan lang waren. Aufbruch in eine neue Zukunft, ein Hauch von Demokratie, ein Präsident namens Hamid Karsai (52), der international geachtet war. Bei seiner Vereidigung im Dezember 2004 sagte Karsai: „Jetzt haben wir eine harte und dunkle Vergangenheit hinter uns gelassen, und heute öffnen wir ein neues Kapitel in unserer Geschichte.“

Dieser Optimismus hat sich nicht bewahrheitet. Die Lage in Afghanistan ist düsterer denn je seit dem Sturz der Taliban. Dennoch geht Karsai bei der Präsidentschaftswahl am 20. August als Favorit ins Rennen. Doch das Volk blickt in den Abgrund eines gefallenen Staates, eines auseinanderfallenden, verwüsteten, von Terror durchzogenen Landes. Karsai wollte den Drogenanbau eindämmen, die Milizen entwaffnen, die Armut und die Korruption bekämpfen, die Verwaltung reformieren, die zerstörte Infrastruktur aufbauen.

Seine Bilanz ist vor den Wahlen am 20. August ernüchternd. Afghanistan verzeichnet zwar seit Jahren ein starkes Wirtschaftswachstum. Doch Millionen Afghanen kämpfen ums tägliche Überleben. Jobs sind Mangelware. Die Analphabetenrate ist eine der höchsten der Welt. 36 Kandidaten treten zur Wahl an, darunter zwei Frauen. Fünf der ursprünglich 41 Bewerber für das Amt haben ihre Kandidatur zurückgezogen. Neben einem neuen Präsidenten werden auch die Räte der 34 afghanischen Provinzen gewählt. 17 Millionen der nach Schätzungen rund 28 Millionen Afghanen haben sich nach Angaben der Unabhängigen Wahlkommission für die Abstimmung registrieren lassen. 12,5 Millionen Bürger haben bereits aus der Zeit der ersten freien Präsidentschaftswahl des Landes im Herbst 2004 einen Wahlausweis.

Zusätzlich ließen sich 4,5 Millionen Afghanen, die inzwischen volljährig wurden, bei der letzten Wahl nicht im Land waren oder aus anderen Gründen nicht teilnahmen, in den vergangenen Monaten in die Wahllisten einschreiben. Die Wählerregistrierung verlief überraschend friedlich. Die radikal-islamischen Taliban haben allerdings zum Wahlboykott aufgerufen und Straßenblockaden am Tag vor der Abstimmung angekündigt. Rund 100 000 ausländische Soldaten aus 42 Nationen – zwei Drittel Amerikaner – sowie 200 000 afghanische Soldaten und Polizisten sichern die Wahl.

Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die Berichterstattung in den afghanischen Medien vor der Präsidentschaftswahl als unausgewogen. „Viele Fernseh- und Hörfunkstationen haben in ihren Programmen ausgewählte Kandidaten bevorzugt. Vor allem das staatliche Fernsehen und die meisten staatlichen Hörfunkprogramme enthalten den Wählern unabhängige Informationen vor: Sie unterstützen eine Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Hamid Karsai“, kritisiert die Journalistenorganisation.

Die Stimmenauszählung beginnt am Tag nach der Wahl. Für den 21. August ist auch der Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan vorausgesagt. Die Wahlkommission rechnet am 3. September mit vorläufigen Ergebnissen der Präsidentschaftswahl. Am 17. September sollen Endergebnisse der Präsidentschafts- und der Provinzratswahlen vorliegen.

Sollte keiner der Bewerber um das Präsidentenamt eine absolute Mehrheit erzielen, kommt es nach derzeitiger Planung Anfang Oktober zu einem weiteren Wahldurchgang. Dann treten nur noch der Spitzenreiter und der Zweitplatzierte an.