Mit den Kriegsherren Dostum und Fahim haben zwei der berüchtigtsten Gestalten Afghanistans wieder die Bühne betreten.

Hamburg. Im November 2001 ergaben sich im Norden Afghanistans, bei Kundus, dort, wo jetzt die Bundeswehr Wache hält, mehrere Tausend Taliban-Krieger, entnervt durch pausenlose amerikanische Bombardements. Sie wurden dem mit den USA verbündeten usbekischen Warlord Rashid Dostum übergeben. Die Taliban sollten in ihre Heimatdörfer in Afghanistan und Pakistan zurückkehren können. Nur wenige von ihnen kamen dort an.

Dostums Miliz pferchte bis zu 2000 der Taliban in stählerne Seecontainer, in denen zuvor Hilfslieferungen aus dem Westen angekommen waren. Dann brachten sie die Container in die Wüste und warteten bei glühender Sonne. Ab und zu feuerten sie aus Langeweile auf die Behälter, bis unten das Blut herauslief. Wer gleich tot war, hatte noch Glück. Die Leichen der qualvoll erstickten Insassen wurden später in einem Massengrab im Wüstenort Dasht-e-Leili verscharrt.

Im vergangenen Monat gab US-Präsident Barack Obama eine Untersuchung des Massakers in Auftrag. Sie wird nach Berichten der "New York Times" jedoch von früheren Top-Beamten der Regierung von Präsident George W. Bush massiv behindert. Es wäre auch äußerst unangenehm, falls bekannt würde, dass die Bande der damaligen US-Administration und namentlich des Geheimdienstes CIA zu General Dostum bedenklich eng waren. Dass das Massaker an den Taliban mit offizieller amerikanischer Billigung geschehen sein könnte, ist allerdings schwer vorstellbar.

Der Usbeke gilt als einer der brutalsten Kriegsherren in einem Land, dem extreme Gewalt seit Jahrhunderten nicht fremd ist. Nach unbestätigten Medienberichten pflegt er manche Gegner wochenlang zu foltern, bevor er sie ermorden lässt. Einen seiner eigenen Soldaten ließ er angeblich auf eine Panzerkette binden und plattfahren.

Diesen Mann hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai gerade aus dem türkischen Exil zurückgeholt, in das ihn Karsai 2008 wegen eines brutalen Angriffs auf einen Rivalen gezwungen hatte. Der Mann wurde halb totgeprügelt und vergewaltigt.

Alles vergeben und vergessen: Karsai benötigt dringend die Unterstützung des mächtigen Usbeken, der sein Volk zu einer Stimmabgabe für den amtierenden Präsidenten, einen Paschtunen, aufrufen kann. Denn Karsai sitzt inzwischen sein Rivale Abdullah Abdullah, ein 48 Jahre alter Augenarzt und früherer Außenminister, unerwartet dicht im Nacken. Dostum könnte verhindern, dass vor allem die jungen afghanischen Usbeken wie bisher weiter Abdullah unterstützen. Morgen sind die Präsidentschaftswahlen, 17 Millionen Afghanen sind wahlberechtigt. Der 55 Jahre alte Dostum, der zeitweise eine brutale Privatarmee von bis zu 45 000 Mann befehligte, der man zahllose Morde und Menschenrechtsverletzungen vorwarf, ist von Karsai zum militärischen Stabschef Afghanistans und zum Marschall auf Lebenszeit ernannt worden. Nach seiner triumphalen Rückkehr aus dem Exil flog er nun in seine Hochburg Sheberghan, wo ihn 20 000 Anhänger im örtlichen Stadion feierten.

Doch Rashid Dostum ist nicht der einzige Mann mit Blut an den Händen, dessen Nähe und Unterstützung Karsai jetzt sucht.

Den tadschikischen Kriegsherrn Mohammed Qasim Fahim, der sich mit Millionensummen an gefälschtem Geld bereichert haben soll, hat er zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten gemacht. Fahim soll zudem in den 90er-Jahren Gefangene ermordet und lukrative Geiselnahmen angeordnet haben.

Auch zwei frühere Mudschaheddin-Führer aus dem Volk der Hazara, Mohammed Mohaqiq und Karim Khalili, denen man ebenfalls zahlreiche Untaten vorwirft, hat Karsai auf seine Seite gezogen. Seine Regierung könnte im Wortsinn ein "Kabinett des Schreckens" werden.

Wirkungslos verhallte der Stoßseufzer des Uno-Sprechers in Kabul, Alim Siddique: "Afghanistan braucht mehr kompetente Politiker und weniger Warlords."