Israel hat am vierten Tag seiner Offensive im Gazastreifen alle Aufrufe zu einem Waffenstillstand zurückgewiesen und stellt sich stattdessen auf wochenlange Kämpfe ein.

Tel Aviv/Gaza/Berlin. Israel sei zu "langen Wochen des Kampfes" bereit, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Matan Vilnai. Der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert lehnte am Dienstagabend ein Angebot Frankreichs für eine 48-stündige Waffenruhe im Gazastreifen ab.

Ein Sprecher Olmerts sagte, eine Waffenruhe wäre gegenwärtig ein "Fehler". Israel wolle die am Sonnabend begonnene Offensive "Gegossenes Blei" nicht beenden, bevor alle Ziele erreicht seien, betonte Sprecher Mark Regev. "Es wäre ein Fehler, Hamas eine Ruhepause zu gewähren, damit sie sich umgruppieren und neu bewaffnen kann". Man arbeite aber mit ausländischen Regierungen und internationalen Hilfsorganisationen zusammen, um einen "ständigen Fluss" von Hilfsmitteln in den Gazastreifen zu ermöglichen.

Bei den schweren Angriffen der Luftwaffe auf Ziele der radikal-islamischen Hamas starben am Dienstag mindestens zehn Menschen, darunter auch zwei Schwestern im Alter von vier und elf Jahren. Trotz des Bombardements und der hohen Opferzahlen zeigte auch die Hamas weiterhin keine Anzeichen für ein Einlenken. Militante Palästinenser feuerten wieder mehr als 20 Raketen und Mörsergranaten auf Israel ab. Eine Rakete schlug im Bereich der Hafenstadt Aschdod und eine in Aschkelon ein. Zuvor waren mehrere Raketen in der Grenzstadt Sderot explodiert. Die israelische Luftwaffe griff ihrerseits unter anderem erneut Schmugglertunnel entlang der Grenze zwischen dem palästinensischen Gazastreifen und Ägypten an.

In Paris trafen sich am Abend die EU-Außenminister zu einer Krisensitzung. Dabei sollte unter anderem über die Möglichkeit eines "humanitären Waffenstillstands" beraten werden, für den sich auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier einsetzt.

Als Folge der Militäroffensive "Gegossenes Blei" sind nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza seit Samstag 369 Palästinenser getötet und mehr als 1700 verletzt worden. Israel beklagt nach mehr als 200 Raketenangriffen den Tod von vier Menschen. Ungeachtet der fortwährenden Raketenangriffe ließ Israel 100 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern in den Gazastreifen passieren.

Nach Einschätzung der Armee verfügt die Hamas noch über mehrere hundert Raketen. Die Stärke von Hamas schwinde jedoch allmählich, sagte Vilnai dem israelischen Rundfunk. Israel werde die Operation "bis zum Ende ausschöpfen". Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak formulierte drei Ziele der Militäroffensive: Danach will Israel der Hamas einen schweren Schlag versetzen, die Situation im Gazastreifen grundlegend verändern und einen Stopp der Raketenangriffe auf Israel bewirken.

Hamas-Sprecher Ismail Radwan sieht hingegen eine wachsende Unterstützung der Bevölkerung im Gazastreifen seit Beginn der Offensive. Zugleich stellte Radwan klar, dass seine Organisation Israel weder anerkennen noch irgendwelche Konzessionen machen werde.

Ägyptens Präsident Husni Mubarak erklärte unterdessen, er werde an seiner Entscheidung festhalten, den Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen trotz der massiven israelischen Luftangriffe nicht zu öffnen. Nur Hilfsgüter und Verletzte dürften passieren. Zugleich setzte er sich gegen Anschuldigungen arabischer Kritiker zur Wehr. Diese hatten ihn wegen seiner Haltung im Konflikt um den Gazastreifen als "Verräter" geschmäht.

Die israelische Marine hinderte am frühen Dienstag ein Schiff der internationalen Friedensorganisation "Free Gaza" daran, medizinische Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Nach Angaben von Aktivisten und Reportern an Bord der "Dignity" wurde das Schiff von einem israelischen Patrouillenboot gerammt. Das israelische Militär widersprach jedoch dieser Darstellung.

In der Stadt Gaza waren am Dienstag weiterhin laute Explosionen zu hören. Nach Angaben von Augenzeugen griff die Luftwaffe erneut ein Regierungsgebäude der Hamas in Gaza, eine Moschee sowie ein Hamas-Trainingszentrum an. Die vier und elf Jahre alten palästinensischen Schwestern wurden nach Augenzeugenberichten getötet, als die israelische Luftwaffe im nördlichen Gazastreifen einen Eselskarren beschoss, auf dem sie saßen.

Sieben Menschen wurden nach palästinensischen Angaben getötet, als das Haus eines Kommandeurs der Hamas in Bet Lahia beschossen wurde. Bei den Opfern soll es sich jedoch nicht um Hamas-Aktivisten sondern vor allem um Nachbarn und Passanten handeln. In Chan Junis starb ein Wächter einer UN-Schule bei einem Angriff auf eine nahe gelegene Polizeistation.