Libanon: Mehr als 4200 Bundesbürger ausgeflogen - mindestens 50 in einem Dorf “in Schwierigkeiten“. Hamburgerin sorgt sich um ihren neun Jahre alten Neffen Karim. Er kann die Konvois nach Damaskus allein nicht erreichen.

BERLIN/BEIRUT. Mehr als 4200 deutsche Staatsbürger sind seit dem Beginn der israelischen Offensive im Libanon von Evakuierung betroffen worden. Die meisten flogen aus Syriens Hauptstadt Damaskus, aus dem jordanischen Amman oder von Larnaka auf Zypern zu verschiedenen deutschen Flughäfen. Am Donnerstag sind nach Abendblatt-Informationen Libanon-Flüchtlinge auch auf dem Hamburger Flughafen gelandet. Sie sind mit zwei Maschinen der ungarischen Airline Malev gekommen, bestätigte eine Flughafensprecherin.

Nach München, Frankfurt/Main, Hannover und Köln flog das Gros der Flüchtlinge. In Köln kamen bis zum Freitag gut 1000 Menschen an. "Der größte Teil hat Kontakte hier in Deutschland und kann sofort bei Verwandten und Bekannten unterkommen", sagte der Kölner Chefkoordinator Michael Schleicher dem Abendblatt. "Wir bezahlen den Leuten teilweise die Fahrkarten, weil sie kein Geld haben, und stellen provisorische Unterkünfte zur Verfügung."

Auf Flügen mit den Luftwaffen-Airbussen A310 von Damaskus wurden die Flüchtenden von einem Malteser-Team mit Notarzt, Notfall-Psychologe und Assistent begleitet, sagte Sören Petry, Leiter der Psychosozialen Unterstützung des Malteser Hilfsdienstes. "Viele haben ihr Hab und Gut einfach liegengelassen und sind vor den Bomben geflohen", sagte Petry. Die Leute seien erschöpft, aber gesund, sagte Chefkoordinator Schleicher. "Sobald sie zur Ruhe kommen, bricht ihre Traumatisierung aus, über das, was sie erlebt haben." Bombardierungen, stundenlange Schußwechsel, Flucht nach Beirut oder Damaskus - die meisten hätten dramatische Tage und Stunden in Todesangst hinter sich.

Beim Abendblatt meldete sich Leserin Nadja Z., deren neun Jahre alter Neffe Karim C. bei den Großeltern im Südlibanon zu Besuch ist. Das Trinkwasser und die Lebensmittel würden knapp. Die Großeltern seien zur Flucht zu schwach. Alleine könne der Junge die Konvois nach Damaskus nicht erreichen. Das Auswärtige Amt habe der Familie mitgeteilt, nichts tun zu können. Per Handy hält die Familie Kontakt zu dem Kind. "Wir sind machtlos, weil wir ja nicht selbst hinfahren und ihn holen können", sagte Nadja Z.

Sie sagte, sie wisse von Flüchtenden, die von der deutschen Botschaft in Beirut abgewiesen wurden, sich an die schwedische Vertretung wandten und über Stockholm ausgeflogen wurden. Der Deutschen Presse-Agentur berichteten weitere Flüchtlinge, die Botschaft in Beirut habe nicht allen geholfen.

Eine Ministeriumssprecherin sagte dem Abendblatt, man tue alles, um jeden Flüchtling nach Deutschland zu bringen. Die Situation vor Ort sei jedoch chaotisch. In einem südlibanesischen Dorf sind vermutlich 50 Deutsche "in einer schwierigen Lage" (Außenamts-Sprecher Martin Jäger). Wie viele Deutsche überhaupt in der Region sind, ist unbekannt. Nach Schätzungen warten insgesamt 57 000 Ausländer auf ihre Ausreise aus dem Libanon.

Per Schiff trafen rund 470 Deutsche in Zypern ein. Eine Maschine der Luftwaffe war am Freitag noch auf dem Weg nach Damaskus. Von dort wurden auch freie Plätze in Linienmaschinen mit Flüchtlingen besetzt, um sie nach Deutschland zu bringen. Am Hafen von Beirut warteten rund 4500 US-Bürger auf ihre Abreise per Schiff. Auch bis zu 6000 Australier sollten mit Schiffen in Sicherheit gebracht werden. Kanada brachte bereits mehr als 1300 Bürger außer Landes. Großbritannien flog bisher rund 750 Bürger aus, mehr als 2800 Briten verließen den Libanon auf dem Seeweg.