Nahost-Konflikt: Deutschland soll vermitteln. Bodenoffensive steht offenbar kurz bevor. Hunderttausende zur Flucht aufgefordert. Steinmeier und Rice fliegen in die Krisenregion.

Jerusalem/Beirut. Im Nahen Osten mehren sich die Anzeichen für eine großangelegte Bodenoffensive israelischer Truppen im Libanon. Tausende Reservisten wurden am Freitag mobilisiert. Die israelische Armee forderte die Zivilbevölkerung im Süden des Nachbarlandes auf, ihre Dörfer sofort zu verlassen. Auch der Libanon mobilisierte seine Armee. Verteidigungsminister Elia Murr kündigte an, die Streitkräfte würden Widerstand leisten und das Land verteidigen.

Israels Ziel sind die radikal-islamischen Hisbollah-Milizen, die von Libanon aus Israel beschießen.

Von israelischer wie arabischer Seite gibt es Bitten an die Bundesregierung, im Konflikt zu vermitteln. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plant am heutigen Sonnabend eine Nahostreise, bei der er auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen will. Nach Medienberichten ist der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits in die Bemühungen um die Freilassung der drei israelischen Soldaten eingeschaltet, die sich als Geiseln in der Gewalt der Hisbollah befinden. Israel macht die Freilassung zur Bedingung für Verhandlungen. Ein BND-Sprecher nannte Berichte über eine Vermittlung "gegenstandslose Spekulationen". Regierungssprecher Ulrich Wilhelm betonte den Wunsch der Bundesregierung nach einem schnellen Waffenstillstand, wollte die BND-Aktivitäten aber nicht bestätigen.

Jerusalem rief am Freitag weitere 3000 Reservisten zu den Waffen. Zuvor waren bereits 6000 Reserve-Soldaten mobilisiert worden. Die Rede war von "mehreren Bataillonen". In Flugblättern, die Israel über dem Libanon abwarf, wurden alle Menschen, die in einem 30 Kilometer breiten Streifen südlich des Flusses Litani wohnen, aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Betroffen von der Warnung sind Hunderttausende Dorfbewohner. Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Asher Ben Nathan, sagte, wenn die Orte verlassen seien, werde Israel "mit der Hisbollah aufräumen".

International verstärken sich die Bemühungen um eine Waffenruhe. US-Außenministerin Condoleezza Rice will am Sonntag in die Krisenregion fliegen. Einen Appell von Uno-Generalsekretär Kofi Annan zum Verzicht auf Gewalt lehnten Israel und Hisbollah allerdings ab.

Die Ausreise von Ausländern läuft auf vollen Touren. Am Donnerstag und Freitag wurden rund 2300 Deutsche ausgeflogen. Zwei Chartermaschinen landeten in Hamburg. Kritisch ist die Lage in dem südlibanesischen Dorf Blida: Dort sind 50 Deutsche eingeschlossen.