Jemen: Ex-Staatssekretär Jürgen Chrobog unterwegs mit seiner Familie. Das Auswärtige Amt hatte bereits vor der Entführung des Deutschen dringend vor Einzelreisen durch den Jemen abgeraten. Für Gruppen gelten strenge Sicherheitshinweise.

Frankfurt/Hamburg. Der Jemen, dieses uralte Land an der historischen Weihrauchstraße, Reich der legendären Königin von Saba, ist schon immer ein gefährliches Pflaster für Reisende gewesen. Und in jüngster Zeit hat sich das Risiko wieder verschärft: Das Auswärtige Amt hatte bereits vor der Entführung der deutschen Familie Chrobog dringend vor Einzelreisen durch den Jemen abgeraten. Selbst Gruppenreisen sollten nur "mit erfahrenen jemenitischen Partnern" veranstaltet werden.

Ex-Staatssekretär Jürgen Chrobog, seine Frau und seine drei Söhne haben sich bei ihrer Jemen-Reise peinlich an diese Sicherheitshinweise gehalten - genützt hat es ihnen nichts. Als ihre Eskorte gerade Pause machte, wurden die fünf Deutschen in der Provinz Schabua verschleppt.

Im bettelarmen Jemen floriert eine Entführungsindustrie. Erst am vorigen Wochenende fand die Verschleppung zweier Österreicher ein glückliches Ende. Die Mittwoch vergangener Woche entführten Architekten, ein 52jähriger Mann und eine 31jährige Frau, wurden in der Nacht zu Heiligabend wieder auf freien Fuß gesetzt. Diese Freilassung erfolgte offenbar ohne Lösegeldzahlung oder die von den Kidnappern geforderte Haftentlassung von Stammesangehörigen, wie der jemenitische Botschafter in Wien, Ali Hamid Scharaf, sagte. Die Entführer gehörten dem Al-Dscharadin-Clan an, einem Zweig des in der Provinz Marib einflußreichen Abida-Stammes.

Im November wurden in Marib zwei Schweizer Urlauber entführt und wenig später wieder freigelassen. Auch in diesem Fall wurde die Freilassung eines wegen Autodiebstahls festgenommenen Bruders von einem der Entführer verlangt. Der Freilassung waren Zugeständnisse an die Entführer vorausgegangen. Stammesführer erklärten, ihnen sei zugesichert worden, daß der Fall des inhaftierten Stammesangehörigen überprüft werde.

Auch deutsche Touristen wurden in den vergangenen Jahren wiederholt im Jemen verschleppt. Doch alle Fälle endeten bislang glimpflich. Die Entführten kamen binnen weniger Tage oder nach einigen Monaten wieder frei. Eine Reisewarnung hob das Auswärtige Amt in Berlin im Jahr 2004 wieder auf.

Bei den Entführern handelt es sich zumeist um Stammesangehörige, die versuchen, Zugeständnisse von der eigenen Regierung zu erpressen; es kann dabei um eine neue Straße oder eine neue Schule gehen. Ihnen geht es nicht um jenen entmenschten Terror, den die lokalen Ableger des islamistischen al-Qaida-Netzwerks im Irak an den Tag legen.

"Dorfbewohner sehen Entführungen oft als letztes Mittel, mit der Regierung zu verhandeln", sagt die Expertin für das Stammeswesen und Universitätsdozentin Raufa Hassan Alsharki. In die korrupte Justiz und in die träge Verwaltung haben die wenigsten jemenitischen Dörfler Vertrauen, und in den abgelegenen Wüstengebieten des Landes, das gut eineinhalbmal so groß ist wie Deutschland, ist die Staatsmacht ohnehin kaum präsent. In einigen Regionen haben sich Stämme der Kontrolle der Regierung in Sanaa weitgehend entzogen.

Die Folge waren mehr als hundert Entführungen in den 90er Jahren. Die Entführer behandelten ihre Opfer zuvorkommend wie Gäste. Und so mancher Reiseführer verstieg sich dazu, die Geiselhaft im Beduinenzelt gar als "Höhepunkt" einer Tour durch das einstige Arabia Felix, das "glückliche Arabien", zu preisen.

Für Touristen ist das Land im Südosten der Arabischen Halbinsel vor allem wegen seiner urwüchsigen Landschaft reizvoll. Schon der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder geriet im März dieses Jahres bei einem Besuch im Jemen ins Schwärmen: "Ich neige nicht zu Pathos, aber das ist schon ein traumhaftes Erlebnis hier", erklärte Schröder. "Mich hat besonders fasziniert, daß in dieser ehrwürdigen Kulturlandschaft soviel Leben ist."

Das wird die Jemeniten gefreut haben. Die Regierung will den Tourismus wieder als ein wirtschaftliches Standbein aufbauen. Denn nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war die Branche total eingebrochen: Der Jemen galt als Rückzugsgebiet von Terroristen. Und die Serie von Entführungen von Ausländern hatte viele Touristen abgeschreckt. Nach der Aufhebung der Reisewarnung kamen 2004 wieder 18 000 Touristen, ein Drittel davon aus Deutschland. Für dieses Jahr wurden 80 000 Touristen im Jemen erwartet.