Ex-Staatssekretär: Kidnapper lauerten ihm auf Urlaubsreise auf. Auch Ehefrau und drei Söhne in Gewalt eines Clans. Entführer wollen inhaftierte Stammesangehörige freipressen.

Sanaa/Berlin/Hamburg. Als Leiter des Krisenstabes der Bundesregierung hat er deutschen Entführungsopfern zur Freiheit verholfen - nun wurde er selbst zur Geisel. Jürgen Chrobog, der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ist mit seiner Familie im Jemen entführt worden. Bewaffnete Stammesmitglieder verschleppten den 65 Jahre alten Karrierediplomaten, seine ägyptische Frau und ihre drei Söhne gestern in der Provinz Schabwa im Osten des arabischen Landes. Chrobogs Frau, die Dolmetscherin Magda Gohar-Chrobog, ist die Tochter des verstorbenen ägyptischen Schriftstellers Youssef Gohar.

Außenamtssprecher Martin Jäger erklärte, das Ministerium stehe mit allen zuständigen Stellen in Kontakt. "Wir werden alle Anstrengungen daran setzen, die Familie so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen."

Ein Anrufer, der sich als einer der Entführer ausgab, sagte in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, den Geiseln werde "kein Schaden zugefügt, in keiner Situation". Nach seinen Worten fordern die Entführer die Freilassung von fünf inhaftierten Angehörigen ihres Stammes. Darunter sei einer, der vor wenigen Tagen zum Tode verurteilt worden sei, weil er das Mitglied eines rivalisierenden Clans getötet hatte. Der Anrufer machte deutlich, daß sein Stamm, offenbar die al-Abdullah bin Sahha, "die Geiseln nicht gehen lassen wird, wenn unsere Männer nicht aus dem Gefängnis entlassen werden".

Der Vize-Gouverneur der Region sagte, Verhandlungen seien angelaufen. Man wisse, wo die Familie Chrobog festgehalten werde, und habe die ganze Gegend bereits mit Soldaten abgeriegelt.

Die Provinzregierung in Schabwa teilte mit, die Reisegruppe sei mit zwei Fahrzeugen unterwegs gewesen. Bei einem Halt an einem Restaurant an der Straße zwischen Aden und Schabwa sei sie plötzlich von Bewaffneten umringt gewesen. Die Deutschen seien zum Umsteigen in ein anderes Fahrzeug gezwungen worden. Mit den Chrobogs wurden auch der Reiseleiter und zwei Fahrer verschleppt.

Stammesangehörige entführen im Jemen häufig Menschen aus westlichen Ländern, um Zugeständnisse von der Regierung zu erlangen. In der Regel werden die Opfer unverletzt freigelassen, aber im Jahr 2000 kamen Geiseln bei einer gewaltsamen Befreiungsaktion ums Leben.

Der 65jährige Chrobog, seit kurzem in Pension, befand sich seit Heiligabend auf einer Privatreise im Jemen. Anlaß war eine Einladung des früheren jemenitischen Botschafters in Deutschland, der heute stellvertretender Außenminister des Jemen ist.