Arabiens Öl ist Treibstoff der Weltwirtschaft und Zündstoff der Weltpolitik, Schatz der Scheichs und Sorge der Staatenlenker, doch die Geburt ihres Energie-Imperiums verdanken die Saudis einem gewieften Geschäftemacher: dem Neuseeländer Frank Holmes (1874-1947).

Die unglaubliche Geschichte liegt acht Jahrzehnte zurück: Am 22. November 1922 treffen sich in der Stadt Uquair die beiden mächtigsten Männer des Nahen Ostens zu einer Konferenz über die künftigen Grenzen zwischen Irak, Kuwait und Arabien. Der Rückzug der Türken nach dem Ersten Weltkrieg hat ein Machtvakuum hinterlassen. Jetzt teilen die Sieger die Beute. An der sandigen Küste gegenüber der Insel Bahrain kampieren zwei höchst unterschiedliche Delegationen.

Im Zeltlager des Araberfürsten Abd al-Asis ibn Abd ar-Rahman ibn Faisal Al-Saud (1880-1953), Herrscher von Bedschd, Riyadh, Asir, Hail, Dschauf und Al-Hasa, bieten rotgewandete Sklaven, eine furchterregende Leibwache, edelste Araberpferde und ein Gefolge von Scheichs und Schwertkämpfern ein Bild wie aus den Zeiten des Propheten. In einiger Entfernung kommandiert der aus Bagdad angereiste britische Hochkommissar Sir Percy Cox im dunklen Anzug mit grauem Homburg und Fliege etwas, das auf einen Chronisten wirkt "wie eine Mischung zwischen einem Pfadfinderlager und dem großen Lunch-Zelt beim Kricketspiel zwischen Eton und Harrow".

Die Männer verhandeln zäh, da drängt sich plötzlich ein dritter dazwischen: ein kleiner, dicklicher Mann mit einer arabischen Aba über dem Kammgarnanzug klettert von einem Esel und watschelt, gefolgt von einem Dolmetscher, auf die Verblüfften zu.

Der ungebetene Gast kommt nicht in diplomatischer, sondern in geschäftlicher Mission, und er redet auch nicht über Grenzen, sondern über Geld. Sehr viel Geld. Frank Holmes hat nach einer Karriere in Gold- und Zinnminen zwischen Australien, Mexiko, Nigeria und Sibirien als britischer Versorgungsoffizier die Aktivitäten der BP-Vorläuferin "Anglo-Persian Oil Company" ausgekundschaftet. Mit einigen Geldgebern gründet er eine Firma zum Erwerb von Bohrkonzessionen, schreibt vielversprechend an Ibn Saud, wird prompt zu Verhandlungen eingeladen und reitet gerade zur rechten Zeit vor.

Ibn Saud, ein zwei Meter großer Kriegsheld, hat Macht, aber keine Mittel, sein unterentwickeltes Volk hungert. Holmes malt das Bild einer ölglänzenden Zukunft. Sir Percy ist "not amused", Ibn Saud um so mehr: Er gibt dem Neuseeländer tatsächlich eine Bohrkonzession. Der Araber hat lieber Kleine als Große im Boot, ahnt wohl auch, daß die Briten in Persien auf Jahrzehnte mehr als genug zu fördern haben und arabische Quellen als lästige Konkurrenz abwürgen wollen.

Ibn Sauds kluge Entscheidung bringt das Golf-Öl in die Welt, denn nun darf Holmes auch in Bahrain und Kuwait bohren. Und als die Briten es mit politischem Druck probieren, verkauft er seine Firma kurzerhand an die mächtige Gulf Oil of Pennsylvania. Fortan sind die Amerikaner in Middle East Nummer eins, und bleiben es bis heute.

Holmes stirbt als schwerreicher Mann. "Er war in einzigartiger Weise verantwortlich für die Entdeckung der reichen Erdölvorkommen Arabiens", würdigt ihn die Londoner "Times": "Jede Publicity vermeidend, zählte er zu den außergewöhnlichsten britischen Persönlichkeiten im Mittleren Osten, besonders bei den arabischen Scheichs an der Westküste des Persischen Golfs, die beides schätzten: die ungeheure Persönlichkeit des rauhen Neuseeländers und die ungeheuren Reichtümer, die dank der Initiative des ,Vaters des Öls', wie sie ihn nannten, ihre Truhen füllten."