Peter Struck Der Bundesverteidigungsminister versichert: Die Bundeswehr ist auch auf harte Kampfeinsätze vorbereitet . . .

ABENDBLATT: Herr Dr. Struck, wie sieht Ihre Bilanz als Verteidigungsminister aus?

PETER STRUCK: Diese Frage kommt natürlich aus meiner Sicht zu früh. Aber ich blicke auf die drei Jahre in diesem Amt positiv zurück. Wir haben die Transformation der Bundeswehr begonnen, das ist die gravierendste Veränderung, die die Bundeswehr jemals mitgemacht hat. Die Truppe ist willig, diesen Weg mitzugehen, obwohl er nicht einfach ist. Ich erfahre auch kaum Kritik von der Opposition.

ABENDBLATT: Die USA betreiben diesen Prozeß schon seit zehn Jahren. Hinkt die Bundeswehr hinterher?

STRUCK: Bei den Stationierungsfolgen sind die USA noch nicht soweit wie wir. Was die Ausrüstung angeht, sind die Amerikaner tatsächlich weiter. Wir brauchen mehr gepanzerte, radgetriebene Transportfahrzeuge, dafür weniger klassische Panzer. Wir müssen auch mehr Drohnen für die Aufklärung haben. Von der Qualität her können wir uns mit der US-Armee durchaus vergleichen. Von der Einsatzfähigkeit und der Durchhaltefähigkeit her nicht. Doch wir müssen uns hinter niemand verstecken.

ABENDBLATT: Aber trotz hoher Einsatzfähigkeit läuft es im Irak nicht gut. Was ist mit Konzepten für die Zeit nach dem Kampf?

STRUCK: Wiederaufbau war nicht amerikanische Doktrin. Die Amerikaner haben die Ausbildung von Einheiten zur Stabilisierung, wie wir das jetzt machen, vernachlässigt. Das spüren sie jetzt leidvoll. Wir kommen da besser zurecht. In Afghanistan sind wir hoch anerkannt. In Sachen Nation-Building ist die Bundeswehr Vorreiter. Viele Nationen kommen zu uns und wollen lernen, wie man das macht.

ABENDBLATT: Dennoch ist die Situation in Afghanistan keinesfalls stabil. Haben Sie schon ein Zwischenergebnis zu den Ursachen des Todes der beiden Soldaten in Rustaq?

STRUCK: Nein. Ich stütze mich im Moment auf die Aussagen des Kommandeurs vor Ort. Es gibt allerdings bislang keine Hinweise auf einen Anschlag.

ABENDBLATT: Was also wird die Lage stabilisieren?

STRUCK: Der Kampf gegen den Drogenanbau ist unabdingbar. Präsident Karsai sieht das auch so. Da sind die örtlichen Warlords, die sich auch über Drogenanbau finanzieren, ein Problem. Die Bundeswehr verschließt davor nicht die Augen. Wir leisten logistische Hilfe für die afghanische Armee, die auch schon Felder abgeflämmt hat. Derzeit wird auf etwa 130 000 Hektar Mohn angebaut. Karsai will diese Fläche radikal verringern.

Dazu muß man den Bauern aber auch eine Alternative anbieten. Die bauen ja Mohn an, weil sie damit viel Geld verdienen. Und sie haben schon immer Mohn angebaut. Das ist ein langfristiger Prozeß.

ABENDBLATT: Die Bundeswehr ist jetzt mit rund 2250 Soldaten seit dreieinhalb Jahren in Kabul und seit eineinhalb Jahren in Kundus. Was hat sich denn nun verbessert?

STRUCK: Man muß feststellen, daß Präsident Karsai in demokratischen Wahlen gewählt worden ist, ist schon ein Erfolg. Wenn wir das Konzept der regionalen Wiederaufbauteams weiterverfolgen und über das ganze Land ausdehnen, werden wir weiter erfolgreich sein und können vielleicht innerhalb eines Jahrzehnts Afghanistan verlassen.

ABENDBLATT: Oder in 20 Jahren . . .

STRUCK: An irgendeinem Punkt muß man entscheiden, ob es denn immer Deutschland sein muß, das Präsenz zeigt. Wir drücken uns nicht, aber ich sehe auch die Notwendigkeit, sich anderswo zu engagieren. Zum Beispiel in Afrika, im Sudan. Dort muß die Weltgemeinschaft dringend handeln. Das Morden geht weiter, und eine Situation, wie wir sie vor Jahren in Ruanda hatten, muß vermieden werden.

ABENDBLATT: Dann könnten auf die Bundeswehr auch harte Kampfeinsätze zukommen. Ist die Bundeswehr denn schon bereit dafür?

STRUCK: Eindeutig, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn wir wirklich in einen Kampfeinsatz gehen müssen, was wir nicht hoffen, sind wir dazu in der Lage. Aber ich möchte nur ungern der erste Verteidigungsminister sein, der den Befehl dazu gibt.

ABENDBLATT: Was geht denn in Ihnen vor, wenn Soldaten tot zurückkommen?

STRUCK: Das ist für mich immer das bitterste. Ich habe jetzt dreimal mit Angehörigen von toten Soldaten gesprochen. Das geht an die Substanz. Man kann ja einer jungen Frau mit zwei kleinen Kindern gar nicht vermitteln, daß der Auftrag einen Sinn hatte. Im jüngsten Fall in Afghanistan war es für die Eltern eines Soldaten ein Trost, daß ihr Sohn gesagt hatte: "Es ist wichtig, was wir hier tun. Wir suchen hier Minen, damit die Kinder dort wieder spielen können."

ABENDBLATT: Das ganze Thema hat ja auch einen Versorgungsaspekt.

STRUCK: Ja. Deshalb finde ich auch Vorschläge aus dem Finanzministerium, die freie Heilfürsorge für Soldaten aus Kostengründen zu streichen, unmöglich. Das habe ich abgelehnt. Mit mir nicht. Gerade Versorgung und Absicherung im Einsatz sind wichtig. Wir haben das mit dem Einsatzversorgungsgesetz gut geregelt. Das bedeutet bessere Leistungen auch für die Hinterbliebenen.

ABENDBLATT: Afghanistan ist ja nur einer der zahlreichen Einsatzorte. Was ist zum Beispiel mit dem Kosovo wann wird die Bundeswehr dort abrücken können?

STRUCK: Für das Kosovo muß dringend die Frage des Status geklärt werden. Man muß zu einer Art Autonomie kommen, die aber auch die Sicherheit der Serben, die dort leben, garantiert. Wenn man dann 2006, 2007 politisch entschieden hat, kann man die Truppenstärke reduzieren. Ich bin ja froh über jeden Soldaten, der nach Hause kommen kann. Wir nehmen dort zunehmend Polizeiaufgaben wahr. Deshalb danke ich Otto Schily, der meiner Bitte nachgekommen ist, die Bundespolizei für derartige Aufgaben mit heranzuziehen. Aber niemand kann wirklich vorhersagen, wie lange wir dort noch bleiben müssen.

ABENDBLATT: Wie stehen Sie zu der Diskussion um einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat?

STRUCK: Wir gehören immer zu den ersten, die von den Vereinten Nationen oder der Nato gefragt werden, wenn es um Einsätze geht. Dann kann man auch sagen: Wenn das so ist, stehen uns auch mehr Entscheidungsbefugnisse im Sicherheitsrat zu.

Interview: Frank Ilse, Günther Hörbst, Egbert Nießler