Kommentar

Da haben die Palästinenser den Übergang in die Ära nach Jassir Arafat aber bemerkenswert reibungslos absolviert. Was war ihnen nach dem Tod ihres Übervaters nicht alles prophezeit worden: erbitterte Machtkämpfe, Chaos, Bürgerkrieg. Statt dessen haben sie mit Mahmud Abbas einen neuen Präsidenten gewählt - und zwar demokratisch, was in der arabischen Welt ja keineswegs selbstverständlich ist.

62 Prozent der Stimmen für Abbas sind eine deutliche, wenn auch keine überwältigende Mehrheit. Sie dürfte überwiegend für jene zwei Drittel der Palästinenser stehen, die jünger sind als 30 Jahre. Die junge Generation nämlich fragt zunehmend, was ihr die von Arafat propagierte Intifada eingebracht hat, abgesehen von 4000 Toten. Immer mehr Menschen lassen sich nicht länger abspeisen mit Heilsversprechungen im Paradies, sondern suchen Perspektiven im irdischen Diesseits. Dabei ist es von hoher Symbolik, daß Abbas stets im dunklen Anzug statt in olivgrüner Phantasieuniform auftritt: Der neue Chefpalästinenser ist ein überzeugter Gegner des bewaffneten Freiheitskampfes.

So wächst der Druck auf die radikalen Eiferer der Hamas, einer Mischung aus Terrortrupp und Sozialverein, der trotz seines Boykotts der Präsidentenwahl Abbas nun die Hand zur Zusammenarbeit reicht. Erstaunlich auch, daß sogar die in Israel geäußerte Wertschätzung für Abbas dessen Popularität nicht geschmälert hat, obwohl in der Region üblicherweise der Feind des Feindes als wahrer Freund gilt. Natürlich bricht jetzt in Nahost nicht plötzlich Frieden aus. Auch muß sich erst erweisen, ob Abbas seinem schwierigen Amt, das bei der inneren Reform der Autonomiebehörde wie beim Aufbau eines Staates eine Mischung aus Sisyphos und Herkules erfordert, gewachsen ist. Das Argument Israels aber, es gebe für Friedensverhandlungen mit den Palästinensern keinen Partner mehr, erscheint schon jetzt überholt.