60 Jahre Nato: Zum Auftakt des Jubiläumsgipfels der Allianz hat US-Präsident Barack Obama die Europäer zu mehr Einsatz im Kampf gegen den Terror aufgerufen. Zugleich kündigte er an, dass er eine Welt ohne Atomwaffen anstrebe. Bilder von der Europareise der Obamas. Bilder zum Damenprogramm während des Gipfels.

US-Präsident Barack Obama will die Welt von Atomwaffen befreien: Einen Plan, um dieses Ziel zu erreichen, werde er auf dem EU-USA-Gipfel am Sonntag in Prag vorlegen, sagte Obama in Straßburg nur wenige Stunden vor dem Auftakt des Nato-Gipfels. "Auch nach Ende des Kalten Krieges kann die Verbreitung von Kernwaffen oder der Diebstahl von spaltbarem Material zur Auslöschung von jeder Stadt auf dem Planeten führen", sagte Obama bei einem Treffen mit Jugendlichen in der Straßburger Stadthalle.

Am Abend kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedstaaten zum 60. Jubiläumsgipfel der Nato in Baden-Baden zusammen. Eine neue Afghanistan-Strategie, ein Neustart der Beziehungen zu Russland sowie die Suche nach einem Nachfolger für Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer stehen auf der Tagesordnung.

Zum Auftakt empfing der französische Präsident Nicolas Sarkozy US-Präsident Barack Obama in Straßburg. Frankreich stehe "vollständig" hinter der neuen US-Strategie für Afghanistan, versicherte Sarkozy. Sarkozy stellte zugleich abermals klar, dass Paris seinen Truppenbeitrag nicht erhöhen werde. "Aber wir sind bereit, beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte und der Wirtschaft mehr zu leisten." Obama dankte Sarkozy in Straßburg für "die starke Führungsrolle in Afghanistan". Zugleich sagte er, für Europa sei das Risiko von Terroranschlägen von al-Qaida größer als für die USA, "schon allein wegen der territorialen Nähe" zu Afghanistan. Deswegen sei es nicht alleine die Aufgabe der USA dafür zu sorgen, dass in Afghanistan keine neue Rückzugsorte für Terroristen entstünden. Obama forderte Europa zum Schulterschluss im Kampf gegen den Terrorismus aufgerufen. "Europa sollte nicht denken, dass die USA die Lasten allein schultern können", sagte er.

Nach seinem Treffen mit Sarkozy war ein erstes bilaterales Gespräch von Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Baden-Baden geplant. Die CDU-Chefin will den US-Präsidenten im Rathaus der Kurstadt empfangen. Der eigentliche Gipfel beginnt am Abend mit einem Arbeitsessen in Baden-Baden, Merkel und Sarkozy wollten die Delegationen gemeinsam empfangen. Zu ihren politischen Beratungen kommen die Staats- und Regierungschefs morgen im Straßburger Kongresszentrum zusammen.

Im Kern der Debatte steht ein gemeinsamer Ansatz zur Lösung des Konfliktes in Afghanistan. Die USA haben angekündigt, 17 000 weitere Soldaten sowie 4000 Militärausbilder an den Hindukusch zu schicken. US-Forderungen nach einer Aufstockung ihrer Truppenkontingente folgte bislang nur Belgien. Es kündigte eine Verstärkung seiner Truppen von 500 auf 565 Soldaten und die Entsendung von zwei zusätzlichen Kampfflugzeugen nach Afghanistan an. In Straßburg soll vor allem über verstärkte Anstrengungen zur Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte beraten werden.

Uneinigkeit zwischen Washington und dem "alten" Europa herrscht auch über die neue Sicherheitsstrategie des Bündnisses. Während die Obama-Regierung für eine schnell und global agierende Nato plädiert, die auf der ganzen Welt Krisen vorbeugen und eindämmen soll, sind Deutschland und Frankreich gegen das Konzept einer Weltpolizei. In Straßburg will die Nato auch ihre nach dem Georgien-Krieg eingeschränkten Beziehungen zu Russland offiziell wieder aufnehmen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte seinen Widerstand gegen das Vorhaben, den dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen zum neuen Generalsekretär zu ernennen. Ob die Türkei ein Veto gegen den Dänen einlegen wird, sagte Erdogan nicht. Fogh Rasmussen ließ erstmals seine Kandidatur offiziell bestätigen.

Zu Feiern gibt es neben dem 60-jährigen Bestehen die Aufnahme von Albanien und Kroatien als 27. und 28. Mitglied. Auch die Rückkehr Frankreichs in die militärische Kommandostruktur, aus der Expräsident Charles de Gaulle sein Land 1966 abgemeldet hatte, wird auf dem Gipfel vollzogen. Als Symbol für die Rückkehr des verlorenen Sohnes wird Staatspräsident Sarkozy den 27 anderen Delegationen am Samstagmorgen auf der Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl entgegengehen. Es ist das erste Mal, dass ein NATO-Gipfel von zwei Staaten ausgerichtet wird. Merkel und Sarkozy erklärten dies auch zum Symbol für die deutsch-französische Versöhnung.

Gewaltsame Ausschreitungen von Nato-Gegnern und Sicherheitskräften in Straßburg warfen ihren Schatten auf den Jubiläumsgipfel. Bei Ausschreitungen in Straßburg wurden am Donnerstagabend 300 Personen vorübergehend festgenommen, 100 von ihnen befanden sich am Freitag noch in Polizeigewahrsam. Die Gegner des Nato-Gipfels kritisierten die Auflagen für einen geplanten Demonstrationszug durch Baden-Baden als grotesk.