Barack Obama gab sich gewohnt locker. Mit herzlichen Worten begrüßte der US-Präsident Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner und sprach interessiert mit dem Mädchen in Schwarzwälder Trachten, bevor er sich ins Goldene Buch der Stadt Baden-Baden eintrug. Er ist das erste Mal in Deutschland - und lobt die Kanzlerin in höchsten Tönen. Bilder von Obamas Europa-Reise. Bilder zum Damenprogramm während des Gipfels. Bilder zum Nato-Gipfel in Baden-Baden.

Baden-Baden. Die einzige, die seiner Charme-Offensive nicht zu erliegen schien, war Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Obama am Freitag als Gastgeberin des NATO-Jubiläumsgipfels zu einem Gespräch unter vier Augen empfing. Merkel, die auf internationalem Parkett normalerweise souverän agiert, verhaspelte sich sogar bei der Begrüßung.

Sie begrüße Obama in den Vereinigten Staaten, sagte Merkel zum Auftakt der gemeinsamen Pressekonferenz und korrigierte sich sogleich - in der Bundesrepublik Deutschland, natürlich. Normalerweise liegt in internationalen Konferenzen ihre Stärke, wie sie während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des G-8-Vorsitzes 2007 unter Beweis stellte. Superstar Obama brachte sie offenbar aus dem Konzept.

Dass Obama in Deutschland ein Sympathieträger ist, weiß man spätestens seit seinem Besuch als Präsidentschaftskandidat in Berlin im vergangenen Sommer. Wie in Straßburg, wo Obama am Freitag zunächst mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zusammentraf, so wurde er auch in Baden-Baden mit Jubel von den Menschen in den Straßen empfangen.

Merkel hingegen wirkte betont kühl, lächelte wenig und suchte selten den Blickkontakt zu ihrem Gast. Dabei machte dieser ihr sogar Komplimente und zeigte sich "beeindruckt" von Merkels "Weisheit, Führungskraft und Fleiß" bei der Vertretung der Interessen ihres Volkes. Merkel selbst ließ die persönliche Ebene außen vor, sondern bemerkte lediglich, dass Obama den Deutschen willkommen sei - wie an den vielen Menschen zu merken gewesen sei, die mit Amerika-Fähnchen auf ihn gewartet hatten. Darüber hinaus stellte sie die gute Zusammenarbeit beider Länder heraus und die gemeinsamen Aufgaben, die auf sie bei der Modernisierung der NATO und der Bewältigung der Finanzkrise zukommen.

In ihren Rezepten gegen die Krise verfolgen sie eigentlich unterschiedliche Ansätze: Während Obama auf weitere Finanzspritzen dringt, plädiert Merkel für eine Reform der Weltwirtschaftsordnung. In Baden-Baden einigten sie sich auf den gemeinsamen Nenner, das Protektionismus allen schadet. Die Amerikaner würden gerne die guten Produkte der Deutschen kaufen, scherzte Obama, wenn sie nur das Geld dafür hätten. "Wir lieben den Wettbewerb um die besten Produkte", konterte Merkel.

Einen Versuch der politischen Annäherung wagten beide auch hinsichtlich der Reform der seit 60 Jahren bestehenden NATO, die sich in einem neuen strategischen Konzept niederschlagen soll. Merkel hatte im Vorfeld davor gewarnt, aus der NATO eine Art Weltpolizist zu machen, der sich in jeden Konflikt einmischt und ihn zu lösen versucht.

Auch in Baden-Baden betonte Merkel, dass der Artikel fünf - die Verpflichtung zu gegenseitigem Beistand im Angriffsfall - Herzstück der NATO bleiben müsse. Obama schwenkte vorsichtig auf ihre Linie ein: "Eine NATO, die alles sein will, wird nichts sein." Wie schon mehrfach in letzter Zeit betonte er erneut, dass er keinen großen Entwurf für die neue Strategie in der Tasche habe, sondern auch zuhören, Ideen austauschen und seinen Teil dazubeitragen wolle, dem Bündnis eine neue Gestalt zu geben. Auch mehrfache lobende Erwähnungen des deutschen Beitrages in Afghanistan schienen Merkel zu gefallen. Am Ende taute sie dann sogar ein wenig auf und legte Obama vertraulich die Hand auf den Oberarm - beim Versuch, auf einen seiner Scherze einzugehen.

"Merkel ist kein riesiger Fan Obamas. Sie bewertet nicht nur seine Politik skeptisch, sondern sie ist auch skeptisch hinsichtlich seiner ganzen Persönlichkeit", erklärt Simon Koschut vom German Council on German Relations eine gewisse Distanz zwischen den beiden. Unterschiedlicher in ihrem Habitus als Merkel und Obama können zwei Politiker kaum sein. Während Obama everybody's darling verkörpert, wirkt Merkel auf öffentlicher Bühne eher spröde.

Schon von Anfang an hatten Merkel und Obama nicht die allerbesten Voraussetzungen für eine wunderbare Freundschaft. Zum einen pflegte die Kanzlerin eine enge politische Beziehung zu Obamas Vorgänger George W. Bush, der sie bisweilen vertraulich Angie nannte. Zum anderen war die erste Begegnung mit Bushs Nachfolger von einer leichten Missstimmung begleitet. Merkel hatte den Wunsch Obamas im vergangenen Jahr, noch als Präsidentschaftskandidat der Demokraten am Brandenburger Tor zu sprechen, abgelehnt. Das Symbol der deutschen Einheit sollte gewählten amerikanischen Präsidenten als Kulisse vorbehalten bleiben, meinte sie. Letztlich sprach Obama vor 200.000 begeisterten Zuhörern an der Berliner Siegessäule - mit Blick auf das Brandenburger Tor.