Das Abendblatt sprach mit Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Gruppe, der die Maastrichter Verträge mitgestaltet hat.

Hamburg. Hamburger Abendblatt:

Herr Ministerpräsident, wo werden Sie die Amtseinführung von Barack Obama verfolgen?

Ministerpräsident Jean-Claude Juncker:

Um die Zeit tagen die Finanzminister der EU. Ich werde die Veranstaltung also nicht zeitgleich im Fernsehen schauen können, aber meine Mitarbeiter werden mich sicher auf dem Laufenden halten.



Abendblatt:

Freuen Sie sich auf Barack Obamas Einzug ins Weiße Haus?

Juncker:

Ich sehe dem mit großer Zuversicht entgegen, obwohl ich nicht zu denen gehöre, die denken, dass die Amerikaner Obama gewählt haben, weil wir Europäer das gerne so wollten. Die US-Bürger haben Obama aus strikt innenpolitischen Gründen gewählt. Aber das wird nicht zu Ungunsten der Europäer sein.



Abendblatt:

Sind Sie Barack Obama schon einmal persönlich begegnet?

Juncker:

Ich habe ihn bisher weder getroffen, noch mit ihm telefoniert.



Abendblatt:

Die Welt erwartet einen grundlegenden Wandel der US-Politik, zum Beispiel die Beendigung des Irak-Krieges oder die Schließung von Guantanamo.

Juncker:

Wenn Guantanamo geschlossen wird und die USA damit wieder in den Hafen der Rechtsstaatlichkeit einlaufen, wird sich das Bild der Amerikaner in der Welt ändern. Wir werden es wieder mit einem Land zu tun haben, das mehr unseren Vorstellungen entspricht.



Abendblatt:

Was wird Obama von Europa erwarten?

Juncker:

Bei all seinen Bemühungen um Multipolarität im transatlantischen Bündnis wird Obama den Europäern zwingender und fordernder gegenübertreten, sie auffordern, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen, in Afghanistan präsenter zu sein. Die Partnerschaft wird bestimmt nicht einfacher werden.



Abendblatt:

Erhoffen die Europäer zu viel von Obama?

Juncker:

Die USA haben über Jahrzehnte immer ein starkes Europa gewollt, aber nur in dem Sinne, dass sich Europa bedingungslos den amerikanischen Positionen unterordnet. Europa muss den USA Unterstützung zusichern, aber wir müssen auch deutlich machen, dass Europa eigene Ansichten, Einsichten und Vorsichten hat. Die Europäer müssen sich darauf besinnen, was die Schnittmenge ihrer Positionen kraftvoll bedeuten kann, und diese in der Außenpolitik deutlich machen. Amerika braucht ein starkes Europa und umgekehrt. Keiner kann alleine mehr die Probleme der Welt lösen. Die Europäer haben erfahren, dass sie nicht mehr die Herren der Welt sind. Die Amerikaner müssen das noch lernen, aber ich traue Obama zu, dass er das schon intuitiv erfasst hat.



Abendblatt:

Wie stark wird die neue US-Außenministerin Hillary Clinton die Europa-Politik der USA prägen?

Juncker:

Der neue US-Präsident wird aufgrund seiner Biografie eher nach Asien ausgerichtet sein, sodass Hillary Clinton ihm den europäischen Teil der Einflusszonen gut vermitteln wird. Ich bin seit Langem mit Hillary Clinton befreundet und weiß, dass sie Europa gut kennt.