Amtsbeginn sprengt alle Rekorde. Zwei Millionen Zuschauer werden in Washington erwartet. 45 000 Sicherheitskräfte schützen das Fest.

Washington. Wenn Barack Hussein Obama heute Mittag in Washington die 35 Worte der Eidesformel spricht, die den 44. Präsidenten der USA geloben lässt, die Verfassung zu "bewahren, zu schützen und zu verteidigen", werden Rekorde in Serie fallen. Planer erwarten die gewaltigste Menschenmenge, die je eine Amtseinführung bezeugt hat. Mehr als zwei Millionen Menschen sollen sich auf der 3,6 Kilometer langen National Mall drängen, nachdem sie Stunden mit Fußmärschen, Kontrollen und schlichtem Warten verbracht haben. Obamas Inaugurationsmotto, "Eine neue Geburt der Freiheit" (aus Lincolns "Gettysburg Address") wird im Wortsinn erstanden mit freiwilliger Unfreiheit der Bürger. Zwar beginnt alles erst um zwölf Uhr mittags (18 MEZ). Doch Metros und Busse sind bereits von vier Uhr früh an im Dauereinsatz.

Präsident Obama wird in seiner Rede eine neue Ära der Verantwortung ausrufen. Im Sinne John F. Kennedys, der 1961 sein Amt mit der Forderung "Fragt nicht, was das Land für euch tun kann, fragt, was ihr für das Land tun könnt" antrat, will Obama vor allem die zuvor frivol zockende Finanzwelt und die Regierung selbst verpflichten, beständig für die Amerikaner überprüfbar zu sein. Die Feierlichkeiten, von Zeitungen "Obamathon" getauft, gehen zunächst mit einer Parade weiter und enden mit zehn offiziellen Inaugurations-Bällen in der Nacht.

Eine 45 000 Mann starke Streitmacht aus Polizisten und Soldaten soll den ersten schwarzen Präsidenten und sein Fest schützen. Scharfschützen des Secret Service sind sichtbar auf Gebäuden entlang der Parade-Route platziert: Sie wollen abschrecken, sie wollen gesehen werden. Abschrecken könnte manche auch das Wetter: Minusgrade, Wind, womöglich Schneeschauer.

Doch das wäre noch harmlos. In der Nacht vor Kennedys Inauguration hatte es so heftig geschneit, dass Truppen mit Schaufeln und Flammenwerfern aufgeboten wurden, um die Mall zu befreien.

JFKs Amtsantritt ging auch in die Geschichte ein, weil sie erstmals in Farbe im Fernsehen übertragen wurde und weil die Honoratioren zum bisher letzten Mal steife Hüte trugen. Dankbar werden die Massen auf der Mall für die Lautsprecherübertragung sein; sie begannen erst 1921 mit Warren Harding. Zuvor hatten alle Pech, die nicht in Hörweite des Präsidenten standen. Aber auch mit 20 Riesenbildschirmen entlang der Mall lässt sich die Zeitverzögerung zwischen Ton und Bild wie zwischen Lautsprechern mit zunehmender Entfernung zum Kapitol nicht schließen. Es klingt seltsam, als falle der Redner sich ins Wort. Jede Musik wird zwangsweise ein Kanon.

Die Planer erwarten mindestens zwei Demonstrationen abseits der Mall. Das "Washington Peace Center" will vor dem FBI-Gebäude die Festnahme George W. Bushs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen verlangen. In einem Park will "Topeka", eine religiöse, rechtsgerichtete Gruppe aus Kansas, gegen den "Antichristen" Obama protestieren. Angehörige des Ku Klux Klan haben Mitglieder aufgefordert, ihrem Zorn Ausdruck zu geben, indem sie schwarze Armbinden tragen und das Sternenbanner umgekehrt hissen. Man rechnet in Washington damit, dass das Mobilnetz zusammenbricht, wenn die Masse auf der Mall Handy-Fotos verschickt. Barack Obama selbst hatte vor Kälte, langen Schlangen, weiten Wegen bei seiner Amtseinführung gewarnt. Er hatte mitleidig angedeutet, dass er jeden verstehe, der die Festspiele lieber am Fernsehen verfolgt.