Kanaren, Malta, Lampedusa - wo das Elend der “Boat People“ auf den Wohlstand der Urlauber trifft.

Hamburg. Die Flüchtlingsindustrie in Südeuropa macht keine Winterpause. Jede Woche verlassen Menschen ihre Heimat, zahlen mehrere Tausend Euro an Schlepper und schippern in Seelenverkäufern übers Meer auf der Suche nach einer besseren Zukunft.

Manche überleben die Reise nicht wie die Afrikaner, die vor ein paar Tagen 20 Meter vor dem Strand der Kanaren-Insel Lanzarote ertranken. Andere finden sich in Auffanglagern wieder. Auf der Mittelmeer-Insel Malta haben aufgebrachte tunesische Flüchtlinge gestern Matratzen in Brand gesteckt, weil die Behörden ihnen die Personalpapiere wieder aushändigen sollten. Einen Tag vorher brannte es auf der italienischen Insel Lampedusa, weil auch hier Tunesier gegen ihre Abschiebung protestierten.

Auf Malta landeten im vergangenen Jahr 2775 Flüchtlinge, 2003 waren es noch 502 Menschen. Lampedusa erreichten 31 700 Migranten im vergangenen Jahr und damit 75 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Hier Urlauber an Traumstränden, dort menschliches Treibgut. Erste und Dritte Welt, Elend und Wohlstand prallen aufeinander, weil Menschen auf der Suche nach Frieden, Freiheit und einem sicheren Leben ihre Heimat verlassen.

"Das ist jedes Mal eine große Tragödie, denn die Menschen riskieren alles", sagte Stefan Telöken, Sprecher der deutschen Sektion des Uno-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR. Nach seinen Angaben landen in Italien, Griechenland und auf Malta hauptsächlich Migranten aus den Konfliktgebieten Irak, Afghanistan, Somalia oder Eritrea an. 2008 waren es rund 54 000 Menschen, die vor Krieg, Vertreibung und politischer Verfolgung geflohen sind - Tendenz steigend.

An die spanischen Küsten auf den Kanaren und dem Festland gelangten 2008 nach Angaben des UNHCR 13 400 Flüchtlinge, mehr als 4000 weniger als im Vorjahr. "Es handelt sich hauptsächlich um junge Männer aus Nord- und Westafrika, die dort aus urbanen Gegenden kommen und in Europa eine bessere Lebensperspektive suchen", sagte UNHCR-Sprecher Telöken. Die Zahlen in diesem Gebiet sind rückläufig, weil einerseits die europäische Agentur zur Grenzsicherung Frontex hier effektiv die EU-Außengrenzen sichert, aber die "Boat People" auch schon in ihren Heimatländern abgefangen werden.

"Es gibt in Westafrika Informationskampagnen, wie gefährlich so eine Flucht übers Meer ist", sagte Telöken. "Aber der Reiz und die Hoffnung, dass es irgendwo anders besser ist, sind sehr groß. Dafür wird alles riskiert." Zumal viele Familien den Jüngsten und Fittesten für dieses Unterfangen auswählen. Wenn der in einem anderen Land Fuß fasst und Arbeit findet, kann er Geld nach Hause schicken und damit die ganze Familie unterstützen. Finanzhilfen in Milliardenhöhe werden jedes Jahr von Afrikanern in die Heimat überwiesen.

Die Flucht übers Meer ist gefährlich und spektakulär. Mehr Menschen aber kommen als stille Einwanderer über Flughäfen und Straßen. Sie kommen als Touristen und bleiben als Illegale - um einer besseren Zukunft willen.