Eine Neuauflage des Friedensprozesses im Nahen Osten wird es nach Ansicht des früheren israelischen Botschafters in der Bundesrepublik, Avi Primor,

Hamburg/Tel Aviv. Eine Neuauflage des Friedensprozesses im Nahen Osten wird es nach Ansicht des früheren israelischen Botschafters in der Bundesrepublik, Avi Primor, zunächst nicht geben. "Denn die Politik der künftigen Regierung Israels wird ausschließlich vom rechten Lager bestimmt", sagt der Diplomat, der von 1993-1999 sein Land in Deutschland vertrat und sich in dieser Zeit hohes Ansehen erwarb, im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. Noch immer gilt Avi Primor als eine der wichtigsten Stimmen im deutsch-israelischen Dialog.

Außenministerin Zipi Livni habe große Chancen gehabt, die Wahlen zu gewinnen, sagt er, "das hat sich alles total geändert, als die Hamas am 19. Dezember einseitig den Waffenstillstand aufkündigte und sofort mit dem Raketenbeschuss begann". Von diesem Moment an sei das beherrschende Thema in Israel die Sicherheit geworden.

"Selbst wenn die Kadima-Partei Teil der Regierung werden sollte, wird das rechte Lager die Politik bestimmen" meint Primor. "Das rechte Lager weiß, dass es von den Partnern aus der politischen Mitte nicht abhängig ist - und die wissen das auch." Netanjahu sei zwar von der rechten Ideologie geprägt, sei aber ein Pragmatiker. "Er wird die Oslo-Verträge respektieren." Auch der mutmaßliche "Königsmacher" Avigdor Lieberman von der Partei Israel Beitenu, ein Freund von Netanjahu, sei Pragmatiker - allerdings auch ein Rassist. "Wenn er und ein, zwei weitere Parteien mit Netanjahu zusammengehen, hat er schon die Mehrheit."

Indes stehe Lieberman vor Polizeiuntersuchungen wegen Korruptionsverdachts. Falls er zurücktreten müsse, werde sein Stellvertreter Uzi Landau Parteichef - "und das wird noch schlimmer. Landau ist ein Hardliner, wie man sie nur noch selten im Likud findet."

Doch der alles entscheidende Punkt für den Nahost-Friedensprozess sei die Haltung des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama. "Die Frage ist, ob Obama eine Wende bringen und sich für den Frieden wirklich ernsthaft einsetzen wird", sagt Primor. "Ich glaube das aber nicht." Für Obama hätten zunächst andere Dinge Priorität - die Wirtschaft und in der Außenpolitik der Irak, der Iran, Afghanistan oder die Beziehungen zu Russland und China.

"Sollte Obama es aber doch wollen, dann kann es in Israel keinen Widerstand dagegen geben, selbst bei den Extremisten nicht", betont Avi Primor, derzeit Leiter des Instituts für Europastudien an der Privatuniversität von Herzliya. "Wir sind derartig abhängig von den USA - in jedem Bereich, vor allem im militärischen -, dass jeder Politiker in Israel genau weiß: Wenn die Amerikaner das wollen, werden wir genau das tun." Darüber gebe es in der Spitze der israelischen Politik "überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten".

In der Geschichte der amerikanisch-israelischen Beziehungen, "die eigentlich erst 1967 begonnen haben", habe es noch nie einen US-Präsidenten gegeben, der von Israel wirklich ernsthaft etwas verlangt oder gar Druck ausgeübt habe, sagt der frühere Botschafter. "Manche sagen, Obama wolle den Friedensprozess vorantreiben. Er wird zwar immer zitiert, dass er dies energisch und aggressiv tun wolle - aber für mich sind das bisher nur Lippenbekenntnisse, wie wir sie von anderen Präsidenten auch gehört haben." Und angesichts der Prioritäten der US-Regierung stelle sich die Frage: "Wann befasst er sich mit dem Nahen Osten - und wie viel Zeit vergeht bis dahin?"