Weder die Kadima noch der Likud verfügen über eine Mehrheit. Doch die Chancen der Rechten stehen besser. Bilder von Zipi Livni.

Tel Aviv. Noch am Wahlabend hatte Likud-Chef Benjamin Netanjahu erklären lassen, er werde der nächste Ministerpräsident sein. Der Likud-Politiker und ehemalige Außenminister Silwan Schalom geht gleich noch einen Schritt weiter: Es sei "verblendet" von Kadima, den Sieg zu erklären. Eine von Außenminister Zipi Livni geführte Regierung sei unrealistisch. "Der Likud ist die offensichtliche Wahl, um das Land zu führen." Denn das israelische Volk habe den Block der Rechtsparteien in der Knesset gestärkt.

Kurz darauf gibt es die erste Reaktion Livnis: "Israel hat Kadima gewählt, und Zipi Livni wird die nächste Ministerpräsidentin Israels sein."

"Zwei Gewinner, das kann ja lustig werden", sagt eine TV-Moderatorin. An einer elektronischen Tafel im Studio schiebt ihr Kollege noch voller Energie allerlei verschiedenfarbene Männchen hin und her. Seine Bemühungen, eine theoretische Koalition zu bilden, erinnern an jene Geduldsspiele, die scheinbar keine Lösung haben. Über den Wahlsieg wird noch gestritten, die Verlierer aber stehen fest. Chaim Oron ist einer von ihnen.

Der Vorsitzende der linken Meretz-Partei tritt als erster Parteichef vor seine Parteifreunde. Fünf Mandate hatten die Prognosen seiner Partei vorhergesagt, drei sind es geworden. Meretz ist in der Knesset keine relevante Kraft mehr. Die Linke habe einen schweren Schlag erlitten, sagt er. Meretz werde in die Opposition gehen, und er hoffe, dort nicht allein zu sitzen. Das gilt der Arbeitspartei von Ehud Barak, die mit 13 Mandaten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte hinnehmen muss. Ihr Generalsekretär Eitan Cabel sagt, ihm sei "zum Weinen zumute", die Partei gehöre in die Opposition.

Zwölf Parteien werden in der 18. Knesset vertreten sein. Um den Koalitionspoker halbwegs verständlich zu halten, werden die Parteien in zwei Lager eingeteilt: das Rechtslager und das Mitte-links-Lager. Demnach verfügt das Rechtslager über 65 und das Mitte-links-Lager über 55 Mandate. Doch die Einteilung wird den komplizierten politischen Gegebenheiten nicht gerecht. So ist es ein seltsamer Konsens in Israel, umstrittene Entscheidungen nicht vom Votum der nicht zionistischen arabischen Parteien abhängig zu machen. Nur der 1995 ermordete Ex-Premier Izchak Rabin hielt das einmal anders - doch auch er ließ die arabischen Abgeordneten nicht der Koalition beitreten. Außerdem kommen die Araber für eine Regierungsbildung unter Livni schon deshalb nicht infrage, weil sie Livni wahrscheinlich noch weniger ausstehen können als Netanjahu. Eine Koalition von Kadima, Arbeitspartei und Meretz läge demnach praktisch bei nur 44 Mandaten und brauchte die Unterstützung von mindestens zwei weiteren Fraktionen, um die Mehrheit von 61 Sitzen zu erreichen.

Daran muss die Knesset-Vorsitzende und Kadima-Abgeordnete Dalia Itzik gedacht haben, als sie sich am Wahlabend verplapperte: "Ich hoffe, nein, ich weiß, dass Zipi Livni die nächste Ministerpräsidentin Israels sein wird." Der Schlüssel für das Amt liegt bei Avigdor Lieberman und seiner rechtspopulistischen Partei Israel Beitenu, die mit 15 Mandaten drittstärkste Kraft in der Knesset wird.

Lieberman aber hält sich bedeckt, wen er bei Präsident Schimon Peres zur Regierungsbildung empfehlen wird. Ein Abgeordneter seiner Partei macht immerhin deutlich, Kadima müsse sich nach rechts bewegen, wenn Lieberman mit Kadima gemeinsam regieren solle. Das heißt, dass Lieberman prinzipiell eine von Livni geführte Koalition nicht ausschließt. Netanjahus Ausgangsposition ist da etwas besser als Livnis, da er auch die rechten Siedlerparteien in seine Regierung aufnehmen könnte.

Die nationalreligiöse Partei Habajit Hajehudi kann sich eine Zusammenarbeit mit Lieberman wohl vorstellen. Und doch ist unwahrscheinlich, dass Netanjahu wirklich eine reine Rechtsregierung will.