Der US-Präsident vertraut auf Gott, seine Frau und den Rat seiner Freunde. Er teilt die Welt in gut und böse - und gibt zu: “Nuancen kenne ich nicht.“

Washington. Ein Berater, der George W. Bush Sonntagnacht auf dem Rückflug vom Gipfel mit Tony Blair und Jose Maria Aznar auf den Azoren nach Washington begleitete, erzählte, dass der amerikanische Präsident "äußerst entspannt" gewesen sei, "in sich ruhend". Nachdem der oberste Befehlshaber der einzigen Supermacht dem Rest der Welt mitgeteilt hatte, dass tags darauf "der Augenblick der Wahrheit" kommen werde, habe dieser 11 000 Meter über dem Atlantik ein paar Telefonate mit Freunden, mit Anhängern seiner "Koalition der Willigen" und mit seiner Frau Laura geführt. Ansonsten: gemütliches Beisammensein mit Mitgliedern seines "inner circle" der engsten Berater. Diese wundern sich keineswegs über die Lockerheit ihres Chefs, jenes Mannes, der kurz davor steht, offiziell den Beginn eines der umstrittensten Kriege der jüngeren Geschichte zu erklären. Sie wissen, dass Bush deshalb keine seelischen Höllenqualen zu durchleiden hat und ruhig schläft. Viele, die ihn nicht kennen, fragen sich jedoch immer wieder: "Woher nimmt dieser Mann die Kraft, eine Entscheidung zu treffen, die nicht nur den Tod von vielleicht Hunderttausenden, sondern auch eine nachhaltige Erschütterung der Weltordnung bedeuten könnte?" Erst vergangene Woche hat George W. Bush selbst vor der versammelten Weltpresse gesagt: "Mein Glaube hilft mir. Ich bete für Führung, Weisheit und Stärke." Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass der Texaner, der sich den wieder geborenen Christen zurechnet, ein tiefgläubiger Mensch ist, der jede Kabinettssitzung mit einem Gebet beginnt und mindestens einmal täglich die Bibel konsultiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass er sich im Geringsten von der Meinung fast aller Kirchenführer in den USA und dem Rest der Welt, die verzweifelt eine friedliche Lösung von ihm einfordern, beeinflussen lässt. Sein guter Freund Brad Freeman erklärt das so: "George hat sich immer von der Religion leiten lassen, aber wenn er sich einmal für eine Sache entschieden hat, dann bleibt er felsenfest dabei." Seine Meinung bildet sich Bush in Gesprächen mit Menschen, die er für besonders klug hält. Im Falle Irak sind das unter anderen Vize-Präsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und dessen Stellvertreter Paul Wolfowitz. Auch Ehefrau Laura, die sich offiziell aus dem politischen Geschäft heraushält und strikt die traditionelle Rolle einer "First Lady" spielt, bezieht Bush bei allen wichtigen politischen Entscheidungen mit ein, wie eine gute Freundin von ihr einst verriet. Wenn er sich jedoch einmal sicher ist, kann ihn ein irdischer Ratgeber nicht mehr umstimmen. Als ihn kürzlich der demokratische Senator Joseph Biden bat, den Konflikt mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein nicht nur nach Cowboy-Art mit gut oder böse, sondern "etwas nuanciert" zu betrachten, konterte der Präsident mit den Worten: "Joe, ich kenne keine Nuancen." Einer seiner engsten Berater antwortet auf die Frage, wie Bush die enorme Belastung seines Amtes so scheinbar mühelos trägt, recht dezidiert: "Er hat ein sehr geordnetes Leben im Weißen Haus. Er betet, treibt Sport, hält strenge Diät, kein Alkohol, keine Zigaretten, abends vor dem Zubettgehen Aktenstudium, ab und zu die eine oder andere Sportsendung, frühes Zubettgehen mit seiner Frau." Während seines Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2000 hat Bush selbst einmal erzählt, dass "The Raven" (Der Rabe), eine Biografie Sam Houstons, sein Lieblingsbuch ist. Letzte Woche verriet er, dass er es gerade wieder einmal lese. Die Geschichte handelt von dem ehemaligen Trunkenbold Sam Houston, der sein Leben in den Griff bekommt und später zum "Vater von Texas" wird. Der Autor Marquis James legte seinem Helden die Worte in den Mund: "Ich wusste, dass ich einst Großes erreichen würde, wovon die Welt spricht." George Bush, der bis zu seinem 40. Geburtstag selbst dem Alkohol sehr exzessiv zugesprochen hat und erst durch seine christliche Wiedergeburt auf den rechten Weg kam, sieht sich als Sam Houston des 21. Jahrhunderts. In der April-Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift "Atlantic Monthly" schreibt der Historiker Richard Brookhiser: "Es ist genau wie in diesem Buch. Für Bush gibt es keinen Zweifel, dass er von Gott dazu ausersehen ist, Großes zu tun, wovon die Welt spricht." Nach Meinung Brookhisers gibt es für den Präsidenten keinen Zweifel, dass "dieser Job der einzig wahre Job ist, den er jemals im Leben haben wird".