Allianz fliegt schwerste Angriffe auf Tripolis. Paris und London wollen Kampfhubschrauber einsetzen. Die Zeit läuft der Allianz davon.

Hamburg. Der Nato läuft die Zeit davon. Am 1. August beginnt dieses Jahr der islamische Fastenmonat Ramadan - und da macht es sich nicht so gut, wenn die westliche Militärallianz während dieser religiös besinnlichen Zeit in einem arabischen Land wie Libyen Bomben wirft und Menschen tötet. Abgesehen davon, dass der hitzeglühende libysche Sommer Militäroperationen erheblich erschwert. Die Nato drückt also massiv aufs Tempo, um die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi in den kommenden Wochen noch entscheidend zu schwächen.

Gestern flogen Kampfflugzeuge der Allianz ihre bislang schwersten Angriffe seit Beginn der Kampagne im März auf die Hauptstadt Tripolis. Hauptziel war der Komplex Bab al-Aziziya, wo die Alliierten eine Kommandozentrale der Gaddafi-Truppen vermuten. Nach Angaben der Regierung wurden dabei mindestens drei Menschen getötet und mehr als 150 verletzt. Es habe sich um zivile Anwohner gehandelt. "Dies ist eine weitere Nacht der Bombardierung und des Tötens durch die Nato", sagte ein Gaddafi-Sprecher. Die Geschosse zerstörten zudem einen militärischen Fahrzeugpark der libyschen Armee. Immer wieder wurde die Stadt von schweren Detonationen erschüttert, schwarzer Rauch stieg auf. In mehreren Stadtteilen von Tripolis, wie in Tadschura und Souk al-Dschumaa, aber auch an anderen Orten Libyens kam es zu heftigen Kämpfen zwischen regimetreuen Einheiten und Rebellen.

Wie britische Medien berichteten, steht der Libyen-Konflikt vor einer weiteren Eskalation. Nach mehr als 8000 "sorties", also Luftangriffen und Aufklärungsflügen, ist Gaddafis Armee noch immer nicht besiegt. Dafür steigt die Gefahr von "Kollateralschäden", wenn Raketen und Bomben unbeteiligte Zivilisten treffen. London und Paris haben sich daher entschieden, Kampfhubschrauber einzusetzen. Während Frankreichs Außenminister Alain Juppe die Entsendung der Helikopter bereits bestätigte, erklärte der britische Verteidigungsstaatssekretär Gerald Howarth, dies werde in London noch erwogen. Außenminister William Hague sagte jedoch in Brüssel: "Wir sind sehr für eine Intensivierung des militärischen Feldzuges - und Frankreich ist dies auch." Der französische Verteidigungsminister Gerard Longuet sagte, Frankreich werde elf Kampfhubschrauber einsetzen. Es soll sich um die Typen "Tiger" und "Gazelle" handeln, die an Bord des Einsatzführungsschiffes "Le Tonnere" stationiert sind. Die "Le Tonnere" ist auf dem Weg nach Libyen; das Schiff ist zugleich Hubschrauberträger, Hospitalschiff und Truppentransporter. Longuet deutete unmissverständlich an, dass Großbritannien ganz ähnliche Pläne bezüglich des Hubschrauber-Einsatzes habe. Auf der britischen Seite soll es sich um mindestens vier Kampfhubschrauber des amerikanischen Typs "Apache" handeln, die an Bord des amphibischen Angriffsschiffs "HMS Ocean" stehen, das Flugzeuge wie Hubschrauber einsetzen kann.

Benötigt werden die Helikopter vor allem im erbitterten Kampf um die Küstenstadt Misrata. Der Einsatz von Kampfhubschraubern hat den Vorteil, dass Ziele auf viel kürzere Entfernung bekämpft werden können, als dies bei Kampfjets der Fall ist. Dadurch kann die Gefahr, dass versehentlich zivile Ziele getroffen werden, zumindest deutlich verringert werden. Auf diese Weise lassen sich Tankwagen oder Munitionstransporter auch in besiedelten Gebieten wie in der Trümmerlandschaft von Misrata beschießen. Andererseits sind Kampfhubschrauber viel einfacher zu treffen als Jets; die Gefahr eigener Verluste wächst. Zudem gilt der Einsatz von Hubschraubern als erster Schritt zum Einsatz von Bodentruppen. Schon jetzt sollen Eliteverbände der Nato in Libyen am Boden aktiv sein, die militärische Ziele für Luftangriffe ausspähen und notfalls auch selber mit Sabotageaktionen ausschalten.

Die dem Feldzug der Nato zugrunde liegende Uno-Resolution erlaubt den punktuellen Einsatz derartiger Bodentruppen, nicht aber eine Besetzung Libyens mit größeren Verbänden.

"Dies ist eine signifikante Entwicklung", sagte der britische Schatten-Verteidigungsminister Jim Murphy von der Labour-Opposition dem Londoner "Guardian". "Es ist richtig, dass die Allianz ihren militärischen Druck auf Gaddafis Streitkräfte intensiviert - aber die britische Regierung muss sich besser über eine politische Strategie für Libyen im Klaren werden und darüber, ob dieses militärische Engagement eines ohne Ende ist", sagte Murphy.

Auf diplomatischer Seite machten die USA einen weiteren Schritt hin zu einer Anerkennung der Rebellen als Vertreter Libyens. Jeffrey Feltman vom US-Außenministerium gab bekannt, dass der Nationale Übergangsrat einen Vertreter in die USA schicken werde.