Bei der Offensive wurden in Tripolis der Hafen und eine Polizeiakademie bombardiert. Machthaber Muammar al-Gaddafi erneut im Staats-TV zu sehen.

Bengasi. Bei ihrer bislang breitesten Angriffswelle gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi hat die Nato in der Nacht zum Freitag drei Häfen in Libyen bombardiert und zugleich die Luftangriffe auf Tripolis intensiviert. Beschossen wurde der wichtigste Hafen der Hauptstadt, weitere Ziele waren Choms und Sirte. Ziel sei der Schutz des von Rebellen gehaltenen Hafens von Misrata gewesen, teilte die Nato mit. Nach Regierungsangaben wurden bei den Luftangriffen fünf Schiffe der Küstenwache und ein Kriegsschiff getroffen.

Die Nato bestätigte in Brüssel, dass Kampfflugzeuge der Allianz auf die Schiffe geschossen hätten. Gaddafis Regierung warf das Militärbündnis vor, die Schiffe unter anderem beim Versuch eingesetzt zu haben, die Einfahrt zum Hafen von Misrata zu verminen. Die Nato habe keine andere Wahl gehabt, als "rigoros durchzugreifen, um die Zivilbevölkerung in Libyen und die Nato-Streitkräfte im Meer zu schützen“, sagte der stellvertretende Kommandeur des Nato-Einsatzes in Libyen, Russell Harding.

Der Generaldirektor des Hafens von Tripolis, Mohammed Raschid, sagte, die Schiffe der Küstenwache würden für Such- und Rettungsaktionen und für Patrouillen eingesetzt, um nach Booten von Einwanderern Ausschau zu halten. Der Hafen sei leicht beschädigt worden. Ein Beamter der libyschen Regierung äußerte die Befürchtung, der Nato-Luftangriff werde Schiffsbesatzungen von der Nutzung des Hafens von Tripolis abhalten. Dadurch dürften Einfuhren zurückgehen und die Kosten für einfache Güter für die libysche Bevölkerung steigen, hieß es.

Regierung unterbreitet neues Friedensangebot

Ihre Luftangriffe auf Tripolis verstärkte die Nato offenbar in dem Versuch, die wichtigste Hochburg Gaddafis zu schwächen und potenziell auf den Machthaber selbst abzuzielen. Bei einem Nato-Luftangriff am Freitagmorgen sei eine Polizeiakademie im Stadtteil Tadschura getroffen worden, sagte ein libyscher Regierungsbeamter.

Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte auf einer Pressekonferenz am späten Donnerstagabend, bei einem Treffen mit einer russischen Delegation Anfang der Woche habe ein Gesandter angeboten, die libyschen Streitkräfte aus Städten abzuziehen, sollten die Rebellen dies auch tun. „Das ist ein neues Angebot“, sagte Ibrahim. Voraussetzung sei aber, dass im Gegenzug die Nato ihre Luftangriffe einstelle. Die Rebellen haben frühere Offerten der Regierung mit der Begründung abgelehnt, Gaddafi sei nicht zu trauen.

Am Donnerstag hatte sich der Machthaber erstmals seit Tagen wieder kurz im Staatsfernsehen gezeigt. Rebellen und Regierungstruppen lieferten sich heftige Gefechte um die Kontrolle zweier Schnellstraßen in den Nafusa-Bergen südlich der Hauptstadt. Diese werden insbesondere von den Rebellen als Versorgungsrouten genutzt.

Tausende Flüchtlinge sitzen in Wüstenstadt fest

Die Internationale Organisation für Migration befürchtet unterdessen eine Katastrophe für tausende Menschen aus dem Tschad, die vor den Kämpfen in Libyen über die Grenze geflohen sind. Die mehr als 3.800 Flüchtlinge säßen unter prekären Bedingungen in einer abgelegenen Wüstenstadt im Tschad fest, erklärte die IOM. Sie hätten kaum Trinkwasser und Lebensmittel, etliche von ihnen seien krank oder verletzt.

Die Gruppe, unter ihnen 310 Frauen und Kinder, ist nach Angaben eines Sprechers in der Ortschaft Zouarke in einer bergigen Region nahe der Grenze zum Niger gestrandet. Mindestens vier Flüchtlinge seien gestorben, nachdem sie Wasser aus verschmutzten Brunnen getrunken hätten.