Nach einem Angriff von Nato-Jets gab es riesige Rauchsäulen. Gaddafis Truppen sollen 1000 Menschen aus Misrata entführt haben.

Tripolis. Das Gebiet um das Anwesen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ist am Dienstag von einer schweren Explosion erschüttert worden. Einem Reuters-Korrespondenten zufolge stieg anschließend eine riesige Rauchsäule über dem Viertel im Zentrum der Hauptstadt Tripolis auf. In den vergangenen Tagen hat die Nato ihre Luftangriffe auf die libysche Hauptstadt verstärkt. Augenzeugen berichteten von Explosionen, die Tripolis in der Nacht bis zum Morgen erschütterten. Das libysche Fernsehen berichtete, das Stadtviertel al-Karama sei von den Nato-Kräften getroffen worden. Auch ein ziviler Telekommunikationsposten sei zerstört worden. Die Nato erhöhte zuletzt mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern den Druck auf Gaddafi, dessen Anwesen schon mehrfach Ziel von Angriffen war. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Die Rebellen berichteten unterdessen in ihren Internetforen von heftigen Gefechten rund um die Stadt Misrata. In der Stadt Sirte wurden ihren Angaben zufolge drei Soldaten wegen Befehlsverweigerung exekutiert.

Etwa 1000 Menschen, zumeist Männer, sind nach Erkenntnissen der Uno-Flüchtlingsorganisation UNHCR währen der Belagerung durch libysche Truppen aus der Stadt Misrata entführt worden. Das erklärte UNHCR-Sprecher Adrian Edwards in Genf unter Berufung auf Interviews mit Einwohnern in der Stadt selbst und in den Vororten. Sie seien entführt worden oder verschwunden. Drei wenig später befreite Männer hätten berichtet, sie seien in ein Regierungslager verschleppt worden. Sie hätten Loyalität versprechen müssen, bevor sie ausgebildet und gezwungen worden seien, auf Regierungsseite zu kämpfen.

In der nun von Rebellen gehaltenen Stadt herrsche weiterhin deutlicher Mangel an Lebensmittel und Medikamenten, berichtet das UNHCR weiter. Seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im Februar seien 630 Tote und 6000 Verletzte registriert worden. Noch immer lebten 25.000 Menschen in der Stadt, die ihre Heimat verloren hätten. Sie wohnten zumeist bei Gastfamilien und Verwandten oder in Schulen und unbewohnten neuen Gebäuden. Viele libysche Familien hätten sieben bis acht Familien bei sich aufgenommen, was zu unzumutbaren Zuständen führe, berichtete die Uno-Organisation. Die Menschen hätten seit Januar kein Geld mehr bekommen, die Banken seien geschlossen.

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In der Schweiz sind derweil mehr libysche Gelder gesperrt wordn, als bisher bekannt war: 650 Millionen Franken (mehr als 530 Millionen Euro). Sie stammen vor allem von öffentlichen libyschen Unternehmen, wie Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey sagte. Bisher waren 360 Millionen Franken bekannt. Aus Tunesien sind 60 Millionen Franken und aus Ägypten rund 410 Millionen in der Schweiz blockiert.

Die mutmaßlich von Gaddafis Soldaten vergewaltigte Imam al-Obeidi ist in ein Uno-Flüchtlingszentrum in Rumänien gebracht worden. In dem Auffanglager in der westrumänischen Stadt Timisoara werde al-Obeidi „wie andere Flüchtlinge auch medizinisch und psychologisch betreut sowie mit einem Behördenvertreter des Landes sprechen, in das sie übersiedeln werde“, teilte die Sprecherin des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Claudia Liute, mit.

„Sie wird Rumänien in spätestens sechs Monaten verlassen“, erklärte sie, ohne Einzelheiten zu nennen. Al-Obeidi hatte Journalisten in einem Hotel in Tripolis am 26. März von ihrer Vergewaltigung durch Soldaten des libyschen Machthabers Gaddafi berichtet. Danach wurde sie vor laufenden Kameras von Wachleuten weggeschleppt. Al-Obeidi flüchtete zunächst nach Tunesien und später nach Katar, von wo sie nun nach Bengasi abgeschoben wurde. (rtr/dapd/dpa)