Der “Verrat“ von Hossam al-Din könnte zum Alptraum des syrischen Präsidenten Assad werden, zumindest ist er gefährlicher als die bewaffneten Rebellen.

Istanbul. Wenn dem syrischen Präsidenten Alpträume plagen, dann handeln sie sicherlich vom „Verrat“ des Ingenieurs Abdo Hossam al-Din. Alptraum deswegen, weil Hossam al-Din quasi das Sinnbild des typischen konservativen Syriens ist und dieser sich nun auf die Seite der Revolutionäre geschlagen hat.

Hossam al-Din ist zudem auch noch der ranghöchste syrische Regierungsbeamte, der seit Beginn der Proteste vor knapp einem Jahr übergelaufen ist. Hossam al-Din istt Stellvertreter des Ölministers.

Dieses Sinnbild Syriens, ein biederer Apparatschik mit altmodischer Frisur und dem gestelzten Jargon der arabisch-sozialistischen Baath-Partei, ist nun also übergelaufen. Das System ssad scheint zu bröckeln. Denn ihn als radikalen Islamisten oder hitzköpfigen Jungdemonstranten darzustellen, dürfte der staatlichen Propagandamaschine schwerfallen.

Wenn ein Mann wie Hossam al-Din seine Beamtenkarriere sausen lässt und ein hohes persönliches Risiko eingeht, dann kann das nur zwei Gründe haben: Entweder rechnet er mit dem Sturz des Regimes und will hinterher nicht auf der Seite der Verlierer stehen oder sein Gewissen hat ihm keine Ruhe gelassen.

+++ Rotes Kreuz rettet Verletzte aus Protesthochburg Homs +++

Dass der Vize-Minister das Regime von Präsident Baschar al-Assad öffentlich attackiert, deutet auf eine fortschreitende Auflösung des äußeren Gürtels der Macht hin. Und der innere Zirkel, zu dem der Assad-Clan, die korruptesten Profiteure des Regimes und die Spitzen des Sicherheitsapparates zählen, wird sich ohne diese schützende Hülle aus Parteifunktionären und Politikern vermutlich nicht mehr allzu lange halten können.

Doch auf wessen Seite steht Hossam al-Din jetzt eigentlich, der Funktionär von dem die Syrer sagen, er sei im Amt immer bescheiden und nicht korrupt gewesen? In seiner Video-Botschaft lobt er die Deserteure der Freien Syrischen Armee und erwähnt auch den oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNC).

Der SNC-Vorsitzende Burhan Ghaliun begrüßt Hossam al-Din prompt in den Reihen der Opposition. Doch der Zusammenhalt, den die oppositionellen Libyer während ihres Aufstandes gegen Muammar al-Gaddafi hatten, fehlt der syrischen Opposition bis heute. Ghaliun wird aus dem islamistischen Lager seit Monaten angefeindet. Gegen die Politologin und SNC-Sprecherin Basma Kadhmani ist eine Rufmord-Kampagne im Gange.

Und auch Hossam al-Din werfen einige Exil-Syrer jetzt vor, er sei ein Opportunist. „Warum erst so spät?“, fragen sie. Dabei gibt es bereits seit Monaten glaubwürdige Berichte, wonach Regierungsmitglieder, deren Loyalität angezweifelt wird, unter Bewachung stehen und das Land nicht verlassen dürfen.

Auch für die Verantwortlichen in Moskau und Peking, die im UN-Sicherheitsrat seit Monaten Zwangsmaßnahmen gegen Syrien verhindern, hat der empörte Ex-Regierungsbeamte Hossam al-Din eine Botschaft. In seinem Video sagt er: „Ihr behauptet, die Freunde des syrischen Volkes zu sein. Nun, nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Durch Eure Haltung werdet Ihr zu Komplizen der Tötungsmaschinerie des Regimes.“

Von Anne-Beatrice Clasmann